Kita-Qualität war Schwerpunktthema bei „Invest in Future“

Kita-Qualität war Schwerpunktthema bei "Invest in Future"

Invest in Future Oktober 2013 Vortragssaal

Über 350 Fachleute aus dem gesamten Bundesgebiet reisten zum Zukunftskongress für Betreuung und Bildung „Invest in Future“ Mitte Oktober nach Stuttgart. Dort diskutierten sie die Frage, wie die Qualität in Kindertageseinrichtungen zu sichern und weiter zu entwickeln sei. Das Thema stellt Politik, Träger, Kita-Leitungen und ihre Teams gleichermaßen vor Herausforderungen.

Stuttgart, 24. Oktober 2013 – „Kinderbetreuung in Deutschland hat sich grundlegend verändert – nicht zuletzt durch die Einführung von Bildungsplänen, zunehmender Ganztagsbetreuung sowie dem Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kita oder bei einer Kindertagespflegeperson ab dem ersten Geburtstag. Die Rahmenbedingungen sind jedoch gleich geblieben. Damit Kitas qualitativ hochwertige Arbeit leisten können, die den Anforderungen der Bildungspläne entspricht, benötigen wir Veränderungen“, betonte Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin der Konzept-e für Bildung und Betreuung gGmbH, zur Eröffnung des zehnten Zukunftskongresses für Bildung und Betreuung „Invest in Future“ im Oktober 2013 in Stuttgart. Rund 350 Fachleute besuchten die zweitägige, interdisziplinäre Veranstaltung, die sich dem Schwerpunktthema „Masse statt Klasse! Wie sichern wir die Qualität in der Kinderbetreuung?“ widmete. Die Konzept-e für Bildung und Betreuung gGmbH, der Kind e.V. Dachverband sowie die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) hatten zu dem Kongress eingeladen, der unter der Schirmherrschaft des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann stand.

Prof. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in München, forderte in seiner Plenumsansprache eine Qualitätsoffensive und identifizierte unter anderem den Personalschlüssel, die Bezahlung sowie die Qualifikation der Beschäftigten in Kitas als zentrale Handlungsfelder für Veränderung.

Der Personalschlüssel ist überall unzureichend
Besonders harsche Kritik übten viele Referentinnen und Referenten an der personellen Ausstattung von Kindertagesstätten. In den östlichen Bundesländern sei der Personalschlüssel besonders ungünstig: „Hier betreut eine Fachkraft rechnerisch 6,34 unter bzw. 11,58 über Dreijährige. Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass die Qualität ab einem Verhältnis von eins zu drei für Krippen und eins zu acht für Gruppen mit über dreijährigen Kindern kippt“, berichtete Prof. Susanne Viernickel von der Alice Salomon Hochschule in Berlin, dem diesjährigen Hochschulpartner des Kongresses. Zu bedenken sei außerdem, dass Verfügungs- und durchschnittliche Fehlzeiten bei der Personalausstattung einzurechnen seien. Dies sei momentan nicht üblich. „In keinem Bundesland genügt die aktuelle Personalausstattung den wissenschaftlichen Empfehlungen. Im Osten ist die Situation besonders dramatisch“, erklärte die Expertin. „Dort kann die Kommunikation der Erzieherinnen und Erzieher mit den Kindern oft nur noch aus Anweisungen bestehen“, sagte Norbert Hocke, Vorstandsmitglied in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Für individuelle Gespräche reicht die Personaldecke nicht.“ Damit eine bessere Personalausstattung für die Länder und Kommunen überhaupt finanzierbar sei, forderte Norbert Hocke die Unterstützung des Bundes: „Im Moment ist das verfassungsrechtlich jedoch gar nicht möglich. Wir brauchen daher an dieser Stelle eine Änderung des Grundgesetzes.“

Pädagogische Fachkräfte besser bezahlen
Angesichts deutlich gestiegener Anforderungen an Fachkräfte in Kindertagestätten war auch die Entlohnung ein Diskussionsthema. „Was eine Grundschullehrkraft netto verdient, bekommt eine Erzieherin bzw. ein Erzieher brutto“, fasste Thomas Rauschenbach die aktuelle Situation zusammen. Dabei sei die Investition in Kitabildung die bildungsökonomisch rentabelste Investition im Bildungssystem. Geld, um die derzeit 500.000 Beschäftigten in der Branche angemessen bezahlen zu können, müsste eigentlich da sei, erklärte Norbert Hocke. „Derzeit investiert die Bundesrepublik 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Bereich der Kindertagesbetreuung. In der EU ist jedoch ein Prozent vereinbart.“

Strukturen machen Fachkräfte häufig krank
Wie erste Ergebnisse der Studie „STEGE – Strukturqualität und Erzieher/innengesundheit in Kindertageseinrichtungen“ von Prof. Susanne Viernickel und Prof. Anja Voss von der Alice Salomon Hochschule zeigen, stehen mangelhafte Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz in direktem Zusammenhang mit der Gesundheit der Kita-Fachkräfte. Ein guter Personalschlüssel, mehr gesellschaftliche Anerkennung, eine angemessene Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit, feste Pausenzeiten, ausreichend Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit, regelmäßige Teambesprechungen und Supervison sowie eine vom Träger gut unterstützte Fortbildungskultur könnten dazu beitragen, die Krankheitsquote zu verringern. „Als Ressourcen am Arbeitsplatz erleben die Erzieherinnen und Erzieher derzeit häufig ein gutes Teamklima, breite Handlungsspielräume sowie die Freude an der direkten Arbeit mit den Kindern“, berichteten die Referentinnen.

Fachkräfteanteil mit akademischer Ausbildung steigern
Wie Thomas Rauschenbach darstellte, ist die Qualifikation des Kita-Personals in den vergangen vier Jahrzenten deutlich gestiegen: „1974 lag der Anteil der Beschäftigten ohne Berufsabschluss noch bei 30 Prozent. Seit 2007 macht diese Gruppe nur noch rund sieben Prozent des Kita- Personals aus.“ Die Akademisierung des Berufsfeldes kommt indes nur schleppend voran. Der Anteil der Akademikerinnen und Akademiker stieg von einem Prozent 1974 auf fünf Prozent 2013. „Kitas sind die letzte pädagogische Bastion ohne akademische Grundausrichtung. Damit wird diesem anspruchsvollen Beruf die nötige Professionalisierung und Anerkennung vorenthalten“, kritisierte Iris Nentwig-Gesemann, Professorin an der Alice Salomon Hochschule in Berlin. „Alle Versuche, einschlägig ausgebildete Akademikerinnern und Akademiker für die Arbeit in Kitas zu gewinnen, werden zum Scheitern verurteilt sein, wenn sich die Bezahlung in diesen Bildungsinstitutionen nicht verbessert“, lautete die Einschätzung von Norbert Hocke.

Multiprofessionelle Teams – ein Gewinn?
Kontrovers diskutierten die Fachleute Waltraud Weegmanns Vorschlag, stärker auf multiprofessionelle Teams in Kindertagesstätten zu setzen und dafür auch fachfremdes Personal, zum Beispiel Schreinerinnen oder Gärtner einzustellen. „Wenn wir die Bildungsbereiche aus den Bildungsplänen auf hohem fachlichen Niveau abdecken und den Kindern durch ein möglichst vielfältiges Team unterschiedliche Bildungsimpulse geben wollen, halte ich dieses Vorgehen für eine gute Idee“, sagte Waltraud Weegman. Iris Nentwig-Gesemann und Norbert Hocke sahen jedoch die Gefahr einer Deprofessionalisierung sowie einer Entwertung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung sowie des früh- bzw. kindheitspädagogischen Studiums.

Verhalten sich männliche Fachkräfte anders als weibliche?
Im Sinne von mehr Vielfalt in Kita-Teams engagierten sich in den vergangenen drei Jahren 16 Träger bundesweit im Projekt des Bundesfamilienministeriums „MEHR Männer in Kitas“, das durch den europäischen Sozialfonds gefördert wird. Eine These, die dabei immer wieder zur Sprache kam: „Männer gehen anders mit Kindern um“. Die Tandem-Studie an der Evangelischen Hochschule Dresden zeigt, dass dies ein Mythos ist. Prof. Holger Brandes berichtete, dass es kaum Unterschiede zwischen dem professionellen Verhalten von männlichen und weiblichen Fachkräften gäbe.

Einheitliche Standards auch in der Pädagogik
Nicht nur bei den Rahmenbedingungen unter denen frühpädagogische Fachkräfte in den einzelnen Bundesländern arbeiten, sei eine Vereinheitlichung wünschenswert. Auch inhaltlich- pädagogisch hielten viele der Referentinnen und Referenten einheitliche Standards für sinnvoll. Referate aus der Schweiz sowie aus Schweden öffneten den Blick für die Situation in anderen europäischen Ländern.

Schweiz: Neues Qualitätslabel setzt Standards
Dr. Kaspar Burger vom Institut Universitaire Kurt Bösch in Sion in der Schweiz berichtete von der aktuellen Einführung eines Qualitätslabels in der Schweiz, wo die familiäre Betreuung von Kindern vor dem Kindergarteneintritt durch Eltern oder Großeltern noch häufiger anzutreffen ist als eine Betreuung in Kindertagesstätten. Es sei jedoch ein starker Ausbau des Kita-Angebots zu verzeichnen. Er dürfe nicht auf Kosten der Qualität gehen. „Der Standard, den wir mit dem Qualitätslabel setzen, soll bewährte Praxis nicht verdrängen“, sagte Kaspar Burger. „Er zeichnet vielmehr gute, an kindlichen Bedürfnissen ausgerichtete Praxis aus und gibt dort, wo sie noch nicht erreicht ist, Anstoß für Veränderungen.“ Verpflichtend ist die Teilnahme am Zertifizierungsverfahren nicht. Da das Label auf die Initiative des Verbands Kindertagestätten der Schweiz zurückgeht, hofft Kaspar Burger jedoch auf eine große Nachfrage nach Zertifizierung.

Schweden: Nationaler Kita-Bildungsplan bereits 1998
Eva-Lena Arefäll vom Schwedischen Städte- und Gemeindetag berichtete, dass Schweden bereits 1995 einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Geburtstag eines Kindes festgeschrieben habe. 1998 trat ein nationaler Bildungsplan für die Kindertagesbetreuung in Kraft. „Er geht nicht sehr ins Detail. Er formuliert vielmehr allgemeine Werte und Aufgaben“, erklärte die Referentin. An diese Grundsätze sind alle Träger gebunden. Unabhängige Anbieter von Kinderbetreuung hätten in Schweden eine starke Position. „Wenn sie die nötige Kompetenz dafür mitbringen, können sie unkompliziert Kindertagesstätten eröffnen. Auf eine Zustimmung der jeweiligen Kommune sind sie dabei nicht angewiesen. Bezuschusst werden alle tatsächlich in Anspruch genommenen Plätze. Öffentliche und unabhängige Träger erhalten identische Zuschüsse.“

Was bedeutet pädagogische Qualität?
Qualität in Kindertagesstätten, die überall gleich sei, werde es auch mit einheitlichen Rahmenbedingungen und bundesweit verbindlichen pädagogischen Standards nicht geben, waren sich die Fachleute sicher. Qualität könne nur von den einzelnen Kita-Teams realisiert werden und müsse sich an den Vorstellungen und Rahmenbedingungen vor Ort orientieren, sagte Iris Nentwig-Gesemann.

Standardisierung diskriminiert abweichende Vorstellungen
Professorin Tanja Betz von der Goethe-Universität in Frankfurt hinterfragte in ihrem Vortrag den Begriff der Qualität in Kindertagesstätten: „Es entsteht ein Dilemma. Einerseits benötigt die Frühpädagogik eine klare Vorstellung davon, was gute und was schlechte Betreuung, Erziehung und Bildung ist. Andererseits verstärken diese Bewertungen Ungleichheit und existierende Hierarchien. Eine dominante Mehrheit setzt Standards fest, für die es zumeist wenig wissenschaftliche Legitimation gibt. Abweichende Vorstellungen werden dadurch diskriminiert.“ Ihr sei es wichtig, bei der Diskussion um Qualität und die Festsetzung von Standards in der Frühpädagogik mit im Blick zu behalten, dass dadurch nicht automatisch alles gut bzw. besser werde. „Es gibt Nebenfolgen, die wir oft nicht bedenken“, sagte sie.

Umgang mit Bildungsvorgaben fordert Kita-Teams heraus
„Wichtig ist, dass Kita-Teams in konstruktiver Auseinandersetzung mit den Bildungsvorgaben und den Vorstellungen der Eltern und des Umfeldes ein gemeinsames Bildungsverständnis im Sinne der Bildungspläne entwickeln und darauf aufbauend ihr eigenes Profil erarbeiten“, erklärte Iris Nentwig-Gesemann. „Dafür brauchen sie gute strukturelle Rahmenbedingungen, fachliche Begleitung und Unterstützung und vor allem muss man ihnen zutrauen, dass sie als Professionelle nicht „Ausführerinnen und Ausführer“ von Vorgaben, sondern Gestalterinnen und Gestalter von optimalen Bildungswelten für Kinder sind“. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigte ihre qualitative Studie im Rahmen der Untersuchung „Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung“. „Viele Kita-Leitungen und ihre Teams sehen in den Bildungsplänen einen Anforderungskatalog, den es gewissenhaft abzuarbeiten gilt. Oft verstellt jedoch eine solche schematische Umsetzungsorientierung den Blick auf die Kinder und ihre Bedürfnisse.“ Manche Teams lehnten – unter Verweis auf ihre berufspraktischen Erfahrungen – die in den Bildungsplänen geforderten Methoden, wie die systematische Beobachtung und Dokumentation, auch grundsätzlich als unnötig ab, berichtete Iris Nentwig-Gesemann. Im Rahmen der Studie fand sie jedoch auch Einrichtungen, denen es gut gelungen war, die Bildungspläne für die eigene Arbeit zu adaptieren und so ein neues professionelles Selbstverständnis zu entwickeln.

Auszeichnung: „Deutschlands beste Kitas“
Beispiele für eine solche hohe Bildungsqualität in Kindertageseinrichtungen lieferten die drei mit dem KitaStar 2013 als „Deutschlands beste Kitas“ ausgezeichneten Einrichtungen. Im Rahmen der „Invest in Future“-Abendveranstaltung nahmen die Kitas „Haus für Kinder am Hirzberg“ in Freiburg, Evangelische Kindertagesstätte Saarlouis sowie die Kita „Am See“ in Großbettlingen bei Nürtingen die Preise entgegen. Ausloberin des KitaStar ist die element-i-Bildungsstiftung, die damit gute Beispiele publik machen und zur Nachahmung anregen will.

Weitere Informationen im Internet:
Invest in Future / KitaStar: www.invest-in-future.de

„Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung“, Forschungsbericht von Susanne Viernickel, Iris Nentwig-Gesemann, Katharina Nicolai, Stefanie Schwarz, Luise Zenker, Alice Salamon Hochschule, Berlin:
http://www.gew.de/Binaries/Binary96129/Expertise_Gute_Bildung_2013.pdf

„STEGE – Strukturqualität und Erzieher/innengesundheit in Kindertageseinrichtungen“, Website zum Forschungsprojekt: http://www.kita-forschung.de/

Kongress-Logo und Bildmaterial zum Download unter: www.invest-in-future.de („Presse“ – „Bildmaterial“).

Unternehmensprofil Konzept-e:
Das Konzept-e-Netzwerk ist seit seiner Gründung 1988 kompetenter Partner für Kommunen und Unternehmen in Bildungs- und Sozialfragen. Der Aufbau und Betrieb öffentlicher und betriebsnaher Kindertagesstätten mit hohem Qualitäts- und Bildungsstandard sowie deren Organisationsentwicklung sind die wichtigsten Geschäftsfelder. Heute gehören zum Netzwerk 30Kitas, zwei Grundschulen, drei Freie Duale Fachschulen für Erzieherinnen und Erzieher sowie die Entwicklung von Konzepten zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Der Anspruch einer qualitativ hochwertigen Bildung und Betreuung ist in der eigenen element-i-Pädagogik formuliert. Um dies allen Kindern zu ermöglichen, wurde 2011 die element-i-Bildungsstiftung ins Leben gerufen.

Das Konzept-e-Netzwerk beschäftigt bundesweit rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu ihm gehören die Trägervereine Kind e.V. Stuttgart, Kind und Beruf e.V., Kind und Beruf gGmbH, Konzept-e für Kindertagesstätten gGmbH und die Konzept-e für Schulen gGmbH. Das Konzept-e Netzwerk veranstaltet jährlich den Kongress Invest in Future, der die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die zeitgemäße Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern von 0 bis 10 Jahren in den Fokus nimmt. Er findet das nächste Mal am 14. und 15. Oktober 2013 in Stuttgart statt.

Kontakt
Konzept-e für Bildung und Soziales GmbH
Birgit Hamm
Wankelstraße 1
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http://www.konzept-e.de

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