„Ein Knast für vier Millionen Bundesbürger?“

Poker-Land Deutschland braucht klare Regeln

Von Ansgar Lange +++ Kiel, September 2012 – Beim Online-Poker befindet sich Deutschland unverändert in einer rechtlichen Grauzone. Die Tageszeitung Die Welt http://www.welt.de berichtet über ein aktuelles Beispiel: Ein Student aus Nordrhein-Westfalen habe im Internet mehrere Hunderttausend Euro mit Poker gewonnen. Nachdem die Steuerbehörde auf ihn aufmerksam geworden war, kam es zu einem Gerichtsverfahren. Dieses wurde mit dem Hinweis eingestellt, dass es sich bei dem jungen Mann nur um einen Hobbyspieler handele.

Frohlocken konnte der Online-Spieler nach Welt-Angaben dennoch nicht. Denn er bekam eine Anzeige wegen illegalen Glücksspiels. Diese versucht er jetzt mit der Aussage abzuwehren, er habe nur im Ausland online gespielt. „In Österreich und Tschechien wäre dies auch problemlos möglich. Denn man darf als Deutscher um Geld im Internet pokern, solange man sich dabei nicht in Deutschland aufhält – eine juristische Farce, die professionelle Spieler wie Michael Keiner auf die Palme bringt. „Wollen wir jetzt aus ganz Deutschland ein Gefängnis machen?“, fragt er. „Bauen Sie mal einen Knast für vier Millionen Bundesbürger! Nur weil sie online pokern? Das ist absolut lächerlich““, so die Tageszeitung. Keiner http://www.michaelkeiner.de/, ursprünglich vollapprobierter Arzt, nimmt seit 1997 regelmäßig an internationalen Pokerturnieren teil und ist auch im deutschen Fernsehen als Pokerexperte tätig.

Welt-Redakteur Friedrich Pohl kommentiert: „Wie auch immer man zu einer Legalisierung von Poker steht, als was auch immer das Spiel definiert werden sollte – es erscheint zutiefst unlogisch, dass der Staat die Ausübung von Poker einerseits behindert und kriminalisiert, auf der anderen Seite aber an den Gewinnen mitverdienen will. Es scheint an der Zeit, dass das Poker-Land Deutschland klare Regeln bekommt.“

Besonders absurde Blüten treibt die Debatte über das Glücksspiel derzeit in Deutschlands nördlichstem Bundesland. Die christlich-liberale Kieler Landesregierung hatte ein europarechtskonformes Regulierungsmodell auf den Weg gebracht, das auch eine Legalisierung von Online-Poker beinhaltete und sich am so genannten Dänischen Modell orientiert. In Dänemark gilt die Liberalisierung des Glücksspielmarktes inklusive der Regulierung von Online-Poker als Erfolg, wie Mette Slotved Thomson von der dortigen Glücksspielbehörde vor den Delegierten der European Association for the Study of Gambling (EASG) http://www.easg.org im griechischen Loutraki ausführte. Der illegale dänische Online-Glücksspielmarkt wird demnach auf lediglich fünf Prozent und damit um ein Vielfaches geringer als in anderen Staaten geschätzt, weil die Zahl der lizenzierten und damit legalen Anbieter es den Spielern erlaube, sich im legalen Markt zu bewegen. Demgegenüber gingen Schätzungen für Frankreich und Italien von einem Schwarzmarkt von 50 Prozent aus, für Deutschland sogar von bis zu 95 Prozent.

Doch die neue „Dänen-Ampel“ in Schleswig-Holstein will von dem Vorzeigegesetz nichts mehr wissen und es so schnell wie möglich wieder abwickeln. Dies führt nicht gerade zu einem Gefühl der Rechtssicherheit bei Verbrauchern und Industrie.

Kubicki: Einheit der Rechtsordnung ist nicht mehr gewahrt

Zur Beantwortung der Kleinen Anfrage der FDP-Fraktion durch das Innenministerium zum Thema ,,Poker als Glücksspiel“ (Drs. 18/152) erklärte indes der Vorsitzende der
FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki: „Die Landesregierung versinkt im Bereich des Glücksspielrechtes immer mehr im Strudel ihrer nicht-umsetzbaren Ankündigungen, sodass immer nebulöser wird, wo die politische Führung des Landes bei diesem Thema steht. In der Beantwortung meiner Kleinen Anfrage zum Thema „Poker als Glücksspiel“ wirkt dieses fortgesetzte Mäandern mittlerweile hochnotpeinlich.“

Wenn der Kieler Innenminister zuerst unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes erkläre, dass es sich bei Poker zwar ,,nicht um ein „reines“ Glücksspiel (…) handelt“, aber um ein solches ,,bei dem über eine gewisse Dauer letztlich der gewinnt, der über die besseren Fertigkeiten verfügt“, dann ist das eine Sache. Wenn er dann in der Beantwortung derselben Frage zugleich aber folgendes feststelle: ,,Überwiegt das Zufallselement, liegt Glücksspiel vor (so z.B. Poker, wie es sich auch aus o.g. Rechtsprechung ergibt)“, dann könne man von einer konsistenten rechtlichen Position der Landesregierung nicht einmal mehr ansatzweise sprechen, so der liberale Politiker.
Die SPD-geführte Landesregierung nehme es offenbar ohne Wimpernzucken hin, dass die Einheit der Rechtsordnung nach ihrer Definition nicht gewahrt wird, denn, so der Innenminister, die steuerrechtliche Betrachtung lasse ,,keinen Rückschluss auf die glücksspielrechtliche Einordnung zu“. Das bedeute, das Innenministerium handele je nach Definitionsbereich nach anderen rechtlichen Kriterien. Kubicki abschließend: „Es sieht daher so aus, als wenn die Landesregierung wegen Unfähigkeit zu Klagen gegen sich selbst aufruft. Diese Haltung ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten.“

Zweitgrößter Markt für Online-Gambling in Europa

In einem Kommentar zum 19. Hauptgutachten der Monopolkommission stellte der Bundesverband privater Spielbanken unterdessen fest, dass Deutschland trotz des gegenwärtigen Verbots von Internet-Glücksspielen den zweitgrößten Markt für Online-Gambling in Europa aufweise (so das Grünbuch der EU-Kommission „On online gambling in the Internal Market, S. 8). Dieser Markt entfalle zum größten Teil auf Casinospiele und Poker, nicht auf Lotterien und Sportwetten. Von den rund zweitausend Webseiten mit Online-Glücksspielen verteilten sich die deutschsprachigen Angebote wie folgt: 43 Webseiten entfallen auf Lotterien, 82 auf Sportwetten, aber 213 auf Poker und 290 auf sonstige Casinospiele. De facto erreiche der Markt mit Online-Casinospielen (einschließlich Online-Poker) auf deutschsprachigen Webseiten einen Bruttospielertrag von 300 bis 600 Millionen Euro.

Höchste Zeit also, dass die Politik endlich alte Zöpfe abschneidet und die eigenen Scheuklappen ablegt, um ein modernes Regulierungsmodell auf den Weg zu bringen, das europarechtskonform ist, dem Spieltrieb Rechnung trägt, Spielsucht kanalisiert und zu höheren Steuereinnahmen und Rechtssicherheit führt. Die CDU-FDP-geführte „alte“ Landesregierung von Schleswig-Holstein hat hier bereits gute Vorarbeit geleistet, auf der auch die übrigen Bundesländer aufbauen können.

Die Überlebensfähigkeit des Glücksspielstaatsvertrags der übrigen Bundesländer haben zuletzt auch die Piraten im Kieler Landtag in Frage gestellt. Ihr Fraktionsvorsitzender Patrick Breyer bezeichnete dessen Regelungen als „nahezu totale Prohibition, die vor allem Poker und andere Online-Glücksspiele betrifft.“ Dies sei „kontraproduktiv und einfach nicht durchsetzbar. So werden Spielinteressierte quasi dazu gezwungen, ausländische Angebote in Anspruch zu nehmen. So kann man Geldwäsche nicht erfolgreich bekämpfen. Außerdem habe ich große Zweifel daran, dass der Staatsvertrag vor dem Europäischen Gerichtshof einer Überprüfung standhalten wird“, so Pirat Breyer.

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