BGH: Teilnahme an Gewinnspiel darf grundsätzlich von Erwerb einer Ware abhängig gemacht werden

Nach den Vorschriften des UWG ist es grundsätzlich verboten, die Teilnahme an einem Gewinnspiel von dem Erwerb einer Leistung abhängig zu machen. Die jüngere Rechtsprechung hat diese Regelung jedoch ein wenig nachkorrigiert.

Wer kennt das nicht: Softdrink aufgeschraubt, Gewinncode in der Hand – obwohl laut Aufschrift auf der Flasche die Teilnahme an der Verlosung von 25 mp3-Playern auch ohne Kauf des Softdrinks möglich ist (meist via Internet). Ersteres soll natürlich den Durstigen zum Kauf von genau diesem Softdrink überreden, letzteres ist dem Gesetz geschuldet: laut § 4 Nr. 6 UWG handelt unlauter, wer

die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden.

Soll heißen: Wer eine Tombola veranstaltet, an der dann aber nur Verbraucher teilnehmen dürfen, die beim Veranstalter etwas gekauft haben, der verstößt gegen den lauteren Wettbewerb, weil er all denen, die ihr Glück versuchen wollen, seine Waren geradezu aufzwingt.

In einem aktuellen BGH-Urteil (05.10.2010, Az. I ZR 4/06) ist diese gesetzliche Regelung jedoch ein wenig relativiert worden. Hier ging es um eine Marktkette, die ihren Kunden pro EUR 5 Einkaufswert Bonusmarken aushändigte; mit einer bestimmten Anzahl Bonusmarken, die auf ein Formular aufgeklebt wurden, konnte der Kunde dann kostenlos bei einer staatlichen Lotterie mitspielen.

Diese Vorgehensweise, so der BGH, verstößt im Lichte der Europäischen Verbraucherschutzbestimmungen nicht gegen das UWG – denn § 4 Nr. 6 UWG ist mit der Europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht vereinbar, schließlich schießt das UWG hier über den Regelungsgehalt der Richtlinie weit hinaus:

In Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie werden zwei Arten von Geschäftspraktiken genannt, die als unlauter einzustufen sind, nämlich die „irreführenden Praktiken“ im Sinne der Art. 6 und 7 und die „aggressiven Praktiken“ im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie. Darüber hinaus stellt die Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie „unter allen Umständen“ als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als unlauter gelten […].

Anhang I der Richtlinie und – ihm folgend – der Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG 2008 enthalten kein Verbot der Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft. Es liegt auf der Hand, dass sich ein solches generelles Verbot nicht unter den Tatbestand einer irreführenden Geschäftspraxis […] fassen lässt. Es kann aber auch nicht als aggressive Geschäftspraxis im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie angesehen werden. Denn eine solche Kopplung stellt weder eine Belästigung oder Nötigung noch eine unzulässige Beeinflussung – also die Ausnutzung einer Machtposition zur Ausübung von Druck […] – dar, weil von ihr für den Verbraucher nur ein besonderer Anreiz ausgeht, ohne dass der Verbraucher dadurch unter Druck gesetzt wird […].

Damit stünde die deutsche Regelung mit der Richtlinie nur dann im Einklang, wenn das generelle Verbot der Kopplung eines Gewinnspiels an ein Umsatzgeschäft unter die Generalklausel des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie fiele. Die Generalklausel setzt sich aus einem Unlauterkeitskriterium und einem Relevanzkriterium zusammen […]: Das fragliche Verhalten muss zum einen den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widersprechen […], es muss zum anderen das wirtschaftliche Verhalten der Verbraucher zu beeinflussen geeignet sein […]. Dass die Kopplung von Gewinnspielen an ein Umsatzgeschäft generell der beruflichen Sorgfalt widerspräche, lässt sich nicht an-nehmen. Dies entnimmt der Senat der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, in der die Generalklausel zwar angeführt […], aber nicht als Rechtfertigung der deutschen Regelung herangezogen worden ist […].

Nach einer Rückfrage beim EuGH, der ebenfalls in diesem Sinne entschied, stellte der BGH im Ergebnis fest, dass § 4 Nr. 6 UWG (entgegen seinem Wortlaut) gerade kein absolutes Verbot, sondern vielmehr richtlinienkonform auszulegen sei:

Ist ein generelles Verbot der Kopplung von Gewinnspielen mit Umsatzgeschäften mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht vereinbar, ist die Bestimmung des § 4 Nr. 6 UWG richtlinienkonform in der Weise auszulegen, dass eine solche Kopplung nur dann unlauter ist, wenn sie im Einzelfall eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie darstellt. Da weder der Verstoß gegen ein Per-se-Verbot des Anhangs I der Richtlinie noch eine aggressive Geschäftspraxis nach Art. 8 und 9 der Richtlinie […] in Betracht kommt, bleibt insofern lediglich zu prüfen, ob das beanstandete Verhalten im Einzelfall als irreführende Geschäftspraxis oder als Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt einzuordnen ist. Dies ist [hier] zu verneinen.

Es ist jedoch deutlich hervorzuheben: Dies ist eine Einzelfallentscheidung, bei der viele einzelne Parameter dazu geführt haben, dass die skizzierte Vorgehensweise tatsächlich erlaubt war. Ein Großteil der kommerziell „gekoppelten“ Gewinnspiele, insbesondere jene mit den Gewinncodes im Schraubverschluss, bleibt auch nach dieser Rechtsauffassung nur dann legal, wenn auch Nicht-Käufer teilnehmen können.

Dennoch sind gekoppelte Gewinnspiele nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich möglich, das Verbot aus dem UWG besteht nach richtlinienkonformer Auslegung in dieser Form nicht fort. Es ist jedoch vehement davon abzuraten, die Teilnahmebedingungen für solche und ähnliche Gewinnspiele selbst zu entwerfen – hier sollte wirklich juristische Hilfe her, da der Grat zwischen Lauterkeit und Wettbewerbswidrigkeit nur sehr schmal ist.

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