Zweifel an Marktwirtschaft und Demokratie wachsen

Begünstigt unser System nur noch Finanzspekulanten und Sozialschmarotzer?

+++ von Ansgar Lange +++ Trier/Sindelfingen – In Deutschland wird wieder die Systemfrage gestellt. Die Zweifel an Demokratie und Marktwirtschaft wachsen. Politikern und etablierten Parteien wird mehr oder weniger offen Verachtung entgegengebracht. „Dem Kapitalismus fehlt das Korrektiv“: Mit dieser plakativen Überschrift macht der CDU-Politiker Friedbert Pflüger bei Cicero-Online http://www.cicero.de darauf aufmerksam, dass die derzeitigen Exzesse des Kapitalismus die Demokratie gefährden könnten. Als Beleg nennt er aktuelle Zahlen. Bei einer vom Deutschen Bankenverband in Auftrag gegebenen Umfrage vom November 2010 waren nur 48 Prozent der Deutschen der Auffassung, unsere Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft habe sich bewährt. 71 Prozent der Befragten gaben an, in unserer Gesellschaft gehe es sozial „eher ungerecht“ zu.

Für diese Systemkrise macht Personalberater Michael Zondler, Geschäftsführer von Centomo http://www.centomo.de in Sindelfingen, aber in erster Linie die Politik verantwortlich, weniger Manager und Vertreter der Finanzbranche: „Die Politiker schieben den schwarzen Peter weiter an die Wirtschaft, an Banker oder angeblich gierige Spekulanten. Diese Kritik mag im Einzelfall ja zutreffen. Fakt ist aber auch, dass uns die derzeitigen Probleme mit dem Euro vornehmlich von der politischen Klasse eingebrockt wurden. Nicht die „amerikanischen“ Ratingagenturen sind für die Probleme in Griechenland verantwortlich. Politiker haben einfach nicht ihre Hausaufgaben gemacht. Um bei der Euro-Rettung einen immer tieferen Schluck aus der Pulle nehmen zu können, argumentieren sie nun, dass wir ständig neue und größere Rettungsschirme brauchen, um den Euro-Raum gegen Spekulanten zu verteidigen. Diese Argumentation ist nicht nur sehr schlicht und falsch, sondern ziemlich heuchlerisch. Für eine solide Finanzpolitik und die Einhaltung von Regeln sind Politiker und nicht die Märkte verantwortlich. Angesichts des mittelmäßigen Personals in der Politik sind Zweifel angebracht, ob wir schnell und reibungslos aus der Krise kommen.“

Zweifel am Kapitalismus kommen aber nicht nur aus der linken Ecke oder aus Kreisen der sich als unfähig erweisenden Politikerkaste – sie kommen mehr und mehr aus der Mitte der Gesellschaft. Wolfgang Ockenfels beispielsweise ist ein recht unorthodoxer katholischer Kirchenmann. Der leidenschaftliche Zigarrenraucher nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er zu kirchlichen oder politischen Fragen Stellung nimmt. Neben seinem Hauptberuf als Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Trier überzeugt Ockenfels als Redner insbesondere auch zu wirtschaftlichen Fragen.

Sein aktuelles Buch http://www.amazon.de/Was-kommt-nach-dem-Kapitalismus/dp/3867441774 ist dem Kapitalismus gewidmet, unter dessen Entartungen die aktuelle Finanz- und Wirtschaftswelt, ja ganze Gesellschaften seiner Auffassung nach kranken. Mit Ludwig Erhard und seiner Sozialen Marktwirtschaft haben das skrupellose Treiben der Boni-Banker und Spekulanten sowie die immer neuen Euro-Rettungsschirme nichts mehr zu tun, meint Ockenfels: „Die finanzkapitalistischen Rückfälle mit ihren ungeheuren Maßlosigkeiten und Wertzerstörungen haben freilich nicht nur den Kapitalismus diskreditiert. Auch die sozialakzentuierte Marktwirtschaft deutscher Prägung hat einen gewaltigen Vertrauensverlust erlitten.“ Der globale Kapitalismus habe abgewirtschaftet und sei an seiner eigenen Maßlosigkeit gescheitert.

Der Autor fordert die Rückkehr zu einer sozial und zugleich ökologisch ausgerichteten Marktwirtschaft, die nicht nur als nationalökonomische Kategorie oder als westeuropäisches Leitbild zu begreifen, sondern auch im Weltmaßstab anzuwenden sei. Mit seinem Plädoyer für die Übertragung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft im Weltmaßstab an Stelle des Kapitalismus vornehmlich anglo-amerikanischer Provenienz stützt sich Ockenfels auch auf die Haltung der Päpste, die einen unregulierten Kapitalismus und vor allem den Sozialismus-Kommunismus aus religiösen, moralischen und sozialethischen Gründen ablehnen: „Dieser gilt sei 1989, seit dem Zusammenbruch des „Ostblocks“ als hinfällig. Jener ist in diesem Jahr in eine massive internationale Krise geraten.“

Auch wenn sich der Verfasser gegen die globalen Spieler mit ihrem Deregulierungsmantra wendet, heißt dies nicht, dass er kein offenes Auge für die Missstände unseres „Sozialstaats“ hat. Die Höhe des Sozialetats sei kein alleiniger Indikator für soziale Gerechtigkeit. Allerdings müsse auch die zunehmende Gier der Profiteure und Spekulanten wirksam bekämpft werden.

Politiker Pflüger nimmt ähnlich wie Zondler die Politiker in die Pflicht. Zweifel seien angebracht, ob an der derzeitigen Gemengelage vor allem „die Wirtschaft“, „der Markt“ oder „die Finanzmärkte“ schuld seien. Nicht wenige führen das Führungsversagen in erster Linie auf die Unfähigkeit der Politik zurück, für die globalisierte Wirtschaft einen gerechten Ordnungsrahmen zu schaffen. Pflüger erklärt das vermeintliche Versagen des Marktes auch damit, dass man nach Ende der Systemkonfrontation mit dem Osten im Westen träge geworden sei. Über Jahrzehnte hinweg habe der real existierende „Sozialismus next door“ durch seine schiere Existenz besonders in Deutschland dazu beigetragen, den Kapitalismus sozial zu machen und zu humanisieren: „Die Marktwirtschaft musste sich ständig weiterentwickeln, um in der Systemkonfrontation zu bestehen“. Heutzutage lege die Marktwirtschaft zu wenig Wert auf ihre soziale Dimension und verkslave sich stattdessen der schnellstmöglichen Gewinnmaximierung. Und so glauben immer mehr Menschen, unser System eigne sich nur für „Finanzspekulanten und Sozialschmarotzer“, während die hart arbeitende und Steuern zahlende Mittelschicht leer ausgeht.

Literaturtipp:
Wolfgang Ockenfels: Was kommt nach dem Kapitalismus? Sankt Ulrich Verlag: Augsburg 2011. 176 Seiten. 16,95 Euro. ISBN: 978 – 3 – 86744 – 177 – 3.
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