Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West: OLG Frankfurt verurteilt früheren Vorstand und Hauptaktionär zu Schadenersatzleistung

Die Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West AG gab seit 1999 Inhaber-Teilschuldverschreibungen aus. Schnell geriet die Gesellschaft in das Visier von Verbraucherschutzzentralen. Vor dem Erwerb von Inhaber-Teilschuldverschreibungen wurde zum Teil sehr eindringlich gewarnt. Die Gesellschaft geriet bald auch in Verdacht, ein Schneeballsystem zu betreiben. Unklar sei, wo das Geld der Anleger bleibe und ob die Anleiheverbindlichkeiten in dreistelliger Millionenhöhe überhaupt jemals getilgt werden könnten. In Sachwerte wie Immobilien werde jedenfalls zu wenig investiert.

Am 1.12.2005 geriet die Gesellschaft mit Zins- und Tilgungsleistungen in Verzug. Am 19.6.2006 stellte der frühere Vorstand Klusmeyer Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren. In seinem Gutachten zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte der Insolvenzverwalter aus, dass „zwischen 37% und 58% der Einzahlungen aus Inhaber-Teilschuldverschreibungen“ an den Hauptaktionär bzw. „diesem zuzurechnende Unternehmen weitergeleitet“ wurden. Die Zahlungen seien unter „Forderungen gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht“ verbucht worden. Allein die Verbindlichkeiten gegenüber den fast 30.000 geschädigten Anleihezeichnern beliefen sich auf ca. 250 Mio. Euro.

Sowohl das Insolvenzverfahren als auch die strafrechtliche Aufarbeitung sind bis heute nicht abgeschlossen. Die Kanzlei Rohde & Späth hatte bis zur Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens erfolgreich Anleger vertreten, deren Auszahlungsansprüche wegen fälliger Inhaber-Teilschuldverschreibungen nicht befriedigt worden waren. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhob die Kanzlei Rohde & Späth für eine Vielzahl von Anleihegläubigern Schadenersatzklagen gegen den früheren Vorstand Pierre Klusmeyer, den Hauptaktionär Jürgen Schlögel und die Wirtschaftsprüfer der WBG Leipzig-West AG. Die Klagen wurden mit Prospekthaftungsansprüchen und Ansprüchen aus unerlaubter Handlung begründet.

Die Kanzlei Rohde & Späth argumentierte von Anfang damit, dass die Verkaufsprospekte der WBG fehlerhaft seien und einen falschen Gesamteindruck vermitteln würden. Der mit der J. S. Immobilienbeteiligungen e.K. bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der dem Hauptaktionär Schlögel den Zugriff auf die Einnahmen der WBG erlaubte, hätte im Prospekt erläutert werden müssen.

Das Landgericht Frankfurt am Main wies im vergangenen Jahr die Klagen mehrerer Anleger ab. In dem nun von der Kanzlei Rohde & Späth geführten Berufungsverfahren hob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main nun in zwei Verfahren die erstinstanzlichen Urteile auf und verurteilte den früheren Vorstand Pierre Klusmeyer und den Hauptaktionär Schlögel zur Schadenersatzleistung (OLG Frankfurt am Main, Urteile vom 21.6.2011, Aktenzeichen 5 U 51/10 und 5 U 103/10).

Das Oberlandesgericht entschied zutreffend: „Die Prospektpflichten sind nicht erfüllt worden. Der prospektierte Hinweis auf den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag war nicht ausreichend.“ Das Oberlandesgericht teilte nicht die Auffassung des Landgerichts, wonach es sich bei dem Begriff „Beherrschungsvertrag“ um einen „allgemein gängigen Rechtsbegriff“ handele, den auch der „durchschnittliche Anleger“ verstehe und der auch erkennbar die Verpflichtung beinhalte, an das herrschende Unternehmen auf dessen Anforderung hin Kapital zu transferieren.

Rechtsanwalt Dr. Andreas Rohde, Partner der Kanzlei Rohde & Späth, der die Anleger in diesem Verfahren vertreten hat, hat von Anfang an die Auffassung vertreten, dass die Zeichner im Prospekt über die Bedeutung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag hätten aufgeklärt werden müssen. Denn aus dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag ergibt sich, dass im Falle einer wirtschaftlichen Krise die Entscheidung über das „Wohl und Wehe“ der Anleiheschuldnerin allein bei dem beherrschenden Unternehmen, der Firma J.S. Immobilienbeteiligungen e.K., und damit also beim Hauptaktionär Schlögel persönlich lag. Die mit der Gewinnabführungspflicht korrespondierende Pflicht des beherrschenden Unternehmens zur Verlustübernahme ist aber nur dann ein wirtschaftlich ausgleichendes Element, wenn die Erfüllung dieser Pflicht bei einem entsprechend solventen Unternehmen liegt. Ob dies der Fall war, konnte der Anleger nicht beurteilen, da der Prospekt hierzu keine Angaben enthält.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat diese Rechtsauffassung nun bestätigt: Der Prospekt verschweige die Abhängigkeit der Rückzahlung vom Leistungswillen und von der Vermögenslage des Hauptaktionärs. Über dessen Vermögensverhältnisse und Verwendungsabsichten lasse der Prospekt den Anleger im Unklaren. Der Anleger habe so das wahre Risiko der Anlage nicht erkennen können.

Wegen der Auswirkungen dieser Entscheidungen auf eine Vielzahl vergleichbarer Fälle hat das Oberlandesgericht in beiden Fällen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Dr. Rohde & Dr. Späth ist eine auf das Fachgebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts spezialisierte und bundesweit tätige Rechtsanwaltskanzlei. Die Kanzlei vertritt bundesweit geschädigte Kapitalanleger, die insbesondere durch eine fehlerhafte Anlageberatung einen Vermögensschaden erlitten haben. Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt ist die Durchsetzung von Prospekthaftungsansprüchen. In den letzten Jahren hat die Kanzlei sehr erfolgreich Anleger vertreten, die durch die Vermittlung von Inhaber-Teilschuldverschreibungen oder von Beteiligungen an geschlossenen Fonds (insbesondere Immobilienfonds) geschädigt wurden.

Rohde & Späth Rechtsanwälte
Andreas Rohde
Kurfürstendamm 217
10719 Berlin
dr.rohde@berlin.de
030-88 70 16 17
http://www.rohde-spaeth.de