Ungerechtes Prüfungsergebnis an Uni, FH oder Bildungseinrichtung?

– Bundesverwaltungsgericht klärt Art und Zeitpunkt der Prüfungsanfechtung.
– Prüfungsbewertungen unterliegen voller gerichtlicher Kontrolle

Ungerecht benotete Prüflinge haben künftig mehr Rechtssicherheit über Art und Zeitpunkt ihrer Prüfungsanfechtung.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am 23. Mai 2012 in einem von der Kanzlei Birnbaum Rechtsanwälte erstrittenen Revisionsurteil zum Prüfungsrecht geklärt, dass einzelne Prüfungsleistungen umfassend neu bewertet werden müssen, wenn ein Prüfling gegen sein Gesamtergebnis klagt. Besteht eine Prüfung aus mehreren Teilen wie Klausur, mündlicher Prüfung oder Hausarbeit, müssen die Prüfer alle Einzelleistungen neu bewerten. Folge für die Prüfungsanfechtung: Es reicht, wenn ein Prüfling Widerspruch gegen das Gesamtprüfungsergebnis einlegt – also erst zum Zeitpunkt, an dem er die Gesamtnote erhält. Er muss nicht schon jedem einzelnen Prüfungsergebnis widersprechen, wenn er die Gesamtnote noch gar nicht kennt.

Das Urteil hat Relevanz für alle staatlichen oder von staatlichen Stellen anerkannten Prüfungen an Hochschulen, Fachhochschulen und Ausbildungseinrichtungen. (Az.: BVerwG 6 C 8.11 – Urteil vom 23. Mai 2012).

Die umfassende Neubewertung aller Prüfungsteile kann nach Ansicht des Gerichts auch dann eingeklagt werden, wenn die Prüfungsbehörde es im Widerspruchsverfahren zunächst abgelehnt hat, Einzelbewertungen zu ändern oder dem Prüfungsteilnehmer die Möglichkeit einzuräumen, einzelne Prüfungsteile zu wiederholen.

Die Begründung des Gerichts: „Die Bewertungen der Aufsichtsarbeiten der Klägerin stellen keine der Bestandskraft fähigen behördlichen Regelungen dar. Sie bilden eine rechtlich unselbstständige Grundlage des verfahrensabschließenden Prüfungsbescheids und sind, wenn dieser angefochten wird, vom Gericht mit zu überprüfen, wenn der Prüfungsteilnehmer sie in das Klageverfahren einbezieht.“

Christian Teipel (Birnbaum & Partner Rechtsanwälte), mandatsführender Rechtsanwalt in dem Verfahren vor dem BVerwG: „Wir begrüßen es, dass das Bundesverwaltungsgericht seine bisherige Rechtsprechung zur unstatthaften Teilanfechtung einzelner Prüfungsleistungen bestätigt hat. Durch die konsequente Weiterentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung hat es die Rechtsstellung des Prüflings weiter bestärkt und darüber hinaus Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Bezug auf Prüfungsanfechtungen geschaffen.“

Das Urteil im Detail:

– In dem Verfahren hatte eine Jurastudentin das erste juristische Staatsexamen nicht bestanden und gegen die Bewertung ihrer Hausarbeit und Klausuren Widerspruch eingelegt. Das Prüfungsamt teilte ihr nur eine neue Hausarbeit, nicht aber neue Klausuren, zu.
Nachdem sie diese angefertigt hatte, erklärte das Justizprüfungsamt das Staatsexamen erneut für nichtbestanden. Daraufhin klagte die Studentin eine Neubewertung ihrer erneut angefertigten Hausarbeit und der Klausuren ein.
Diese Neubewertung lehnten sowohl das Verwaltungsgericht Frankfurt in erster Instanz wie auch der Verwaltungsgerichtshof des Landes Hessen in zweiter Instanz ab.
Ihr Argument: Die Klägerin hätte bereits gegen den Widerspruchsbescheid klagen müssen, welcher ihr nur eine Prüfungswiederholung hinsichtlich der Hausarbeit, nicht aber der Klausuren zugeteilt hatte.
– Dieser Ansicht hat das Bundesverwaltungsgericht widersprochen.
Folge für die Prüfungsanfechtung: Es reicht, wenn ein Prüfling Widerspruch gegen das Gesamtprüfungsergebnis einlegt – also zum Zeitpunkt, an dem er die Gesamtnote erhält. Er muss nicht schon jedem einzelnen Prüfungsergebnis widersprechen, wenn er die Gesamtnote noch gar nicht kennt. Dieser Widerspruch bewirkt nach der Rechtsprechung des BVerwG, dass alle einzelnen Prüfungsteile erneut bewertet werden müssen.

Im Schnitt sind 85 % aller Revisionsnichtzulassungsbeschwerden erfolglos. Die vorliegende Revision wurde auf die Revisionsnichtzulassungsbeschwerde hin wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 II Nr.1 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) zugelassen.

Die Kanzlei zählt zu den führenden deutschen Kanzleien im Schul-, Hochschul- und Hochschulzulassungsrecht, Prüfungsrecht sowie Bildungs- und Wissenschaftsrecht. Sie berät Schüler, Lehrer, Studierende, Hochschulabsolventen, Hochschullehrer und Hochschulen. Mehrere wegweisende Grundsatzentscheidungen im Bildungsrecht tragen die Handschrift von Birnbaum & Partner Rechtsanwälte. Mehr Infos: www.birnbaum.de.

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