Scheinselbstständigkeit: Umwandlung von Arbeitsverhältnis in freies Mitarbeiterverhältnis?

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.

Scheinselbstständigkeit: Umwandlung von Arbeitsverhältnis in freies Mitarbeiterverhältnis?

Arbeitsrecht

Problem der Scheinselbstständigkeit – tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses maßgeblich: Das Problem im Hinblick auf Scheinselbstständigkeit besteht in der Praxis oftmals darin, dass zwar Verträge mit „freien Mitarbeitern“ abgeschlossen wurden, tatsächlich die Mitarbeiter aber deutlich stärker eingegliedert werden, als in den Verträgen vorgesehen. Der Vertragsinhalt und die Vertragsbezeichnung in der Gesamtschau sind zunächst Indizien für das Vorliegen eines bestimmten Vertragstyps. In der arbeitsrechtlichen, der sozialversicherungsrechtlichen und auch der finanzgerichtlichen Rechtsprechung kommt es bei Abweichungen der vertraglichen von der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses aber auf die tatsächliche Durchführung an.

Umwandlung Arbeitsverhältnis in „freies Mitarbeiterverhältnis“ und umgekehrt grundsätzlich zulässig: Folge der grundrechtlich geschützten Vertragsfreiheit ist, dass Vertragsinhalte auch einvernehmlich geändert werden können. So kann grundsätzlich ein freies Mitarbeiterverhältnis in ein Arbeitsverhältnis und auch umgekehrt ein Arbeitsverhältnis in ein freies Mitarbeiterverhältnis umgewandelt werden. Allerdings werden die Gerichte, Sozialversicherungsträger und Finanzämter in solchen Fällen noch genauer als sonst prüfen, ob hier nicht tatsächlich nur eine Umbenennung, statt einer Umgestaltung vorliegt. Auch die grundsätzliche Entscheidung des Arbeitgebers, bestimmte Arbeiten künftig statt mit eigenen Arbeitnehmern mit fremden Subunternehmern (freien Mitarbeitern) durchzuführen und infolgedessen die nicht mehr benötigten Arbeitnehmer zu kündigen, wird gerichtlich nur eingeschränkt überprüft.

Wichtige Entscheidung Bundesarbeitsgericht: Bei einer innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahme muss es im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitgeber überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolgt. Dazu gehört auch die Umgestaltung der zugrundeliegenden Vertragsform für die Vertriebsmitarbeiter (freies Mitarbeiterverhältnis statt Arbeitsverhältnis). Es ist Sache des Arbeitnehmers, der die Unwirksamkeit der auf einer solchen Maßnahme beruhenden Kündigung geltend macht, Umstände darzulegen, die die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme als offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheinen lassen. Zu prüfen bleibt dabei allerdings, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden ist (BAG, Urteil vom 09. Mai 1996 – 2 AZR 438/95 -, BAGE 83, 127-149, Leitsatz juris).

Bestätigt wurde dieses Urteil durch das so genannte Moskito-Urteil (BAG, Urteil vom 13. März 2008 – 2 AZR 1037/06 -, juris). Hier hat Bundesarbeitsgericht noch einmal klargestellt, dass die unternehmerische Entscheidung, Werbeplakate an Schaltschränken künftig statt durch

Arbeitnehmer durch freie Mitarbeiter (Subunternehmer) durchzuführen, wie jede unternehmerische Entscheidung, die Kündigungen zur Folge hat, nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist (BAG, Urteil vom 13. März 2008 – 2 AZR 1037/06 -, juris).

Darlegungs- und Beweislast: Im arbeitsgerichtlichen Prozess trägt in der Regel der freie Mitarbeiter, der sich darauf beruft, tatsächlich Arbeitnehmer zu sein, zunächst einmal die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der ursprünglich geschlossene „freie Mitarbeitervertrag“ von Anbeginn an oder durch spätere Durchführung ein Arbeitsverhältnis begründet hat. Auch bei Prüfungen durch die Rentenversicherungsträger bzw. Finanzämter wird zunächst von den geschlossenen Verträgen auszugehen sein. Allerdings müssen folgende Besonderheiten berücksichtigt werden: zunächst einmal prüft derjenige, der später auch das Geld erhält, seine eigenen Ansprüche. Im Weiteren hat der Rentenversicherungsträger häufig die freien Mitarbeiter als Zeugen zu Verfügung. Im Ergebnis einer Einstufung als Arbeitnehmer fließen erhebliche Summen zu deren Gunsten in die Rentenkasse und sie erwerben dadurch erheblich Ansprüche.

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11.2016 München
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