Personalgestellung vor dem Aus?

Handlungsbedarf für öffentliche Arbeitgeber

Personalgestellung vor dem Aus?

Rechtsanwältin Stephanie Musiol, LL.M., von der Berliner Kanzlei BETHGE.REIMANN.STARI

Personalgestellungen gehören seit Jahren zur gängigen Praxis in öffentlichen Unternehmen. Sie sind nach § 4 Abs. 3 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) – und weiteren vergleichbaren Tarifnormen – bei einer Verlagerung von Aufgaben auf einen Dritten ausdrücklich gestattet. Vor allem bei Privatisierungen und Umstrukturierungen greifen öffentliche Arbeitgeber daher gern auf dieses Instrument zurück. Ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen eine Personalgestellung seit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) aber überhaupt noch zulässig ist, kann jedoch auch zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten nicht sicher beantwortet werden. Eine Klärung dieser Frage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) wird aller Vorrausicht nach (erst) im nächsten Jahr erfolgen.

„Bis dahin sollten alle öffentlichen Arbeitgeber ihre praktische Handhabung bei der Überlassung von Personal auf den Prüfstand stellen und risikominimierende Maßnahmen einleiten“, empfiehlt Rechtsanwältin Stephanie Musiol von der Kanzlei BETHGE.REIMANN.STARI in Berlin. Hierzu gehört laut Musiol zunächst die umgehende Einholung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Vor der Novellierung des AÜG war dessen Anwendungsbereich auf die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung beschränkt. Personalgestellungen im öffentlichen Dienst, die regelmäßig nicht mit Gewinnerzielungsabsicht sondern zum Selbstkostenpreis betrieben werden, unterlagen daher grundsätzlich nicht der Erlaubnispflicht. „Nach der Streichung des Begriffs „gewerbsmäßig“ ist nunmehr jede Arbeitnehmerüberlassung, die im Rahmen der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ des Arbeitgebers ausgeübt wird, erlaubnispflichtig“, erläutert die Berliner Arbeitsrechtlerin. „Selbst kommunale Unternehmen oder sogar gemeinnützige Organisationen, die Arbeitnehmer auf Basis reiner Kostenerstattung an Dritte überlassen, sind daher vom Anwendungsbereich des AÜG erfasst.“

Fehlt die behördliche Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, ordnet das Gesetz die Unwirksamkeit der entsprechenden Überlassungs- und Leiharbeitsverträge sowie das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher an. Darüber hinaus können die gestellten Arbeitnehmer Schadensersatz verlangen. Schließlich droht die Verhängung von Bußgeldern von bis zu 30.000 EUR für jede einzelne „illegale“ Überlassung, wobei grundsätzlich die Geschäftsführung persönlich haftet. „Mit Blick auf diese gravierenden Rechtsfolgen sollte trotz des Bürokratie- und Kostenaufwands zeitnah eine entsprechende Erlaubnis eingeholt werden“, mahnt Rechtsanwältin Musiol.

Für weitere Verunsicherung in der Praxis sorgt zudem, dass nach der Neufassung des AÜG die Überlassung nur noch „vorübergehend“ erfolgen darf. Zur Bedeutung dieser Vorgabe hat das BAG erst kürzlich (Beschl. v. 10.07.2013 – Az. 7 ABR 91/11) klargestellt, dass die dauerhafte Überlassung ohne jede zeitliche Einschränkung gesetzlich verboten ist. „Selbst bei weitester Auslegung ist diese Voraussetzung nicht mit § 4 Abs. 3 TVöD in Einklang zu bringen, denn hiernach erfolgt die Personalgestellung gerade dauerhaft“, erläutert Musiol. So hat es auch das LAG Baden Württemberg gesehen und in seinem Aufsehen erregenden Beschluss vom 17.04.2013 (Az. 4 TaBV 7/12) die Personalgestellung nach § 4 TVöD als verbotene Arbeitnehmerüberlassung für unzulässig erklärt.
Das Ergebnis dieser Entscheidung vermag laut Musiol nicht zu überzeugen: „Die Personalgestellung nach § 4 TVöD und vergleichbaren tariflichen Regelungen dient gerade dem arbeitsrechtlichen Bestandsschutz des Arbeitnehmers. Dieser bleibt bei seinem bisherigen öffentlichen Arbeitgeber aufgrund gesicherter arbeitsvertraglicher Beziehungen und unter Fortgeltung der Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes weiter beschäftigt. Die Personalgestellung ist daher regelmäßig günstiger für den Arbeitnehmer als deren Verbot“. Rechtssicherheit kann hier allerdings erst eine Entscheidung des BAG schaffen; das LAG Baden-Württemberg hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

„Vor diesem Hintergrund sollte bis zu einer höchstrichterlichen Klärung die – unbefristete – Personalgestellung gut überlegt sein und ggf. alternative Gestaltungsmöglichkeiten geprüft werden“, rät Rechtsanwältin Musiol. Denn auch wenn das AÜG selbst keine Sanktionen vorsieht, seien die Rechtsfolgen einer verbotenen Arbeitnehmerüberlassung durchaus bedeutend: „Die Übertragung des Direktionsrechts wäre zunächst unwirksam, so dass die Arbeitnehmer Weisungen des Entleihers nicht mehr zu befolgen hätten und zudem ihre Arbeitsleistung dort auch nicht mehr erbringen müssten. Darüber hinaus wäre ein mögliches Zustimmungsverweigerungsrecht von Personal- bzw. Betriebsräten zu beachten.“

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