NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens:Die Versorgung der Versicherten werden wir mit diesem Gesetz nicht sichern

5. Plattform Gesundheit des IKK e.V. zur Regionalisierung und Zentralisierung der GKV

(ddp direct)Die Bundesländer gehen davon aus, keinen Einfluss mehr auf das geplante Versorgungsstrukturgesetz zu haben. Das Gesetz wird zum 1. Januar 2012 kommen die Länder sind raus, sagte am Donnerstag Barbara Steffens, Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen, in ihrer Rede auf der 5. Plattform Gesundheit des IKK e.V., der Interessenvertretung der Innungskrankenkassen auf Bundesebene. Unter der Überschrift GKV zwischen Verstaatlichung und Kleinstaaterei? diskutierten am Donnerstag Vertreter aus Politik, Krankenversicherung, Gesundheitswirtschaft und Wissenschaft vor mehr als 120 Teilnehmern.

Pünktliches Greifen des Gesetzes sicherte Ulrike Flach, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium in ihrem Referat zu. Es gibt Verschiebungen bei der zweiten und dritten Lesung im Bundestag. Wir sind aber im Zeitplan, so Flach.

Nach Einschätzung der Staatssekretärin zielt das Gesetz auf die Verbesserung der Versorgung in den Regionen. Wir wollen eine flexible, statt starre Bedarfsplanung und die Länder dabei möglichst mit im Boot haben, sagte Ulrike Flach. Das Bundesgesundheitsministerium sei deshalb im Vorfeld gezielt auf die Länder zugegangen, um hier eine gemeinsame Basis zu finden.

Das Urteil der NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens zum geplanten Gesetz fiel demgegenüber missbilligend aus. Von völliger Negierung der Länderinteressen, bis hin zu nette Schritte in die richtige Richtung, aber Alibischritte reichte die Kritik der Ministerin. Sie könne nicht nachvollziehen, warum das Bundesgesundheitsministerium die spezialärztliche Versorgung in das Gesetz geschrieben habe. Wir haben schon genug Probleme zwischen ambulant und stationär, jetzt wird noch eine zusätzliche Säule mit der spezialärztlichen Versorgung aufgemacht, sagte Steffens. Gefordert sei vielmehr eine bessere Vernetzung und eine regionale Bedarfsanalyse mit untermauerten Zahlen und Fakten. In diesem Zusammenhang kritisiert sie auch die Streichung der ambulanten Kodierrichtlinen. Steffens: Die Versorgung der Patienten werden wir mit diesem Gesetz nicht sichern. Als Beispiel nannte die Ministerin die doppelte Facharztschiene: Die werden wir so langfristig nicht aufrecht erhalten können, so Steffens.

Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., forderte starke, regionale Strukturen, jedoch müssten die Rahmenvorgaben bundesweit klar geregelt sein. Wollseifer untermauerte: Die tragenden Säulen des Gesundheitswesens, die Selbstverwaltung, die solidarische Finanzierung und das Sachleistungsprinzip werden gestützt von dem grundgesetzlich verbrieften Recht auf gleichwerti-ge Lebensverhältnisse

Prof. Dr. Dr. Thomas Gerlinger, Leiter der AG Gesundheitssysteme, Gesundheitspolitik und Gesund-heitssoziologie an der Universität Bielefeld, wies darauf hin, dass es bereits seit den 70er Jahren ei-nen Trend zur Zentralisierung im Gesundheitssystem gebe. Vereinheitlichung findet laut Gerlinger unter anderem beim Wahlrecht der Versicherten, bei Vorgaben zur Qualitätssicherung oder dem bundeseinheitlichen Beitragssatz in der GKV statt. Die Beteiligungsrechte der Länder und Kommunen sind nicht ausreichend, die regionalen Versorgungsbedarfe werden nicht genügend berücksichtigt, so seine Einschätzung. Ein Modell für die Zukunft sieht er in regionalen Versorgungskonferenzen.

Für Gerd Ludwig, Vorstandsvorsitzender der IKK classic, gibt es bereits jetzt akute Versorgungsprob-leme in einzelnen Regionen. Er beobachte dies unter anderem in den neuen Bundesländern. So fahren nach seiner Aussage Patienten aus dem Land Brandenburg, die einen Augenarzt suchen, ins benach-barte Sachsen. Im Blick hat der Kassenchef aus Dresden, aber auch die Überversorgung. Das Problem wird mit dem neuen Gesetz nicht angegangen, so Ludwig. Die Finanzierbarkeit werde so ausgeklammert. Ludwig: Man kann aber nur das ausgeben, was man einnimmt.

Die Bedarfsplanung muss auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden, verlangte Ingo Nürnberger, Abteilungsleiter Sozialpolitik im DGB-Bundesvorstand. Es reiche nicht, mit zusätzlichem Geld Ärzte aufs Land locken zu wollen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie müsse in diesem Zusam-menhang z.B. auch einen größeren Raum einnehmen.

Nicht alles dürfe man der Politik überlassen, forderte Regina Feldmann, Vorsitzende der Kassenärztli-chen Vereinigung Thüringen. Das geplante Versorgungsstrukturgesetz sorgt nicht dafür, dass mehr junge Menschen den Beruf eines Arztes ergreifen, sagte Feldmann. Thüringen habe bereits Versor-gungsprobleme, so gebe es 18 offene Augenarztstellen. Eine tatsächliche Überversorgung ist bei uns nicht vorhanden, schätzte die KV-Vorsitzende ein.

Versorgung sei immer eine Frage der Region und müsse immer vom Menschen her betrachtet werden, so Jürgen Hohnl, Geschäftsführer des IKK e.V., in seinem Resümee. Trotzdem brauche es Steuerungsregelungen seitens der Bundesebene. Wenn es im Gesetz zur neuen ambulanten spezi-alärztlichen Versorgung heißen würde: Wer kann, der darf! so sei das falsch. Es müsse immer nach dem tatsächlichen Versorgungsbedarf gefragt werden. Wenn der vorhanden sei, dann müsse auch gelten: Was muss, das muss.

Über den IKK e.V.:
Der IKK e.V. ist die Interessenvertretung von Innungskrankenkassen auf Bundesebene. Der Verein wurde 2008 gegründet mit dem Ziel, die Interessen seiner Mitglieder und deren mehr als 4,5 Millionen Versicherten gegenüber allen wesentlichen Beteiligten des Gesundheitswesens zu vertreten. Dem IKK e.V. gehören die BIG direkt gesund, die IKK Brandenburg und Berlin, die IKK classic sowie die IKK gesund plus an.

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