Nicht gewährter Urlaub als Schadensersatz

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Mai 2013 – 9 AZR 760/11-. Von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Volker Dineiger, Rechtsanwalt Berlin

Ausgangslage:

Der Arbeitnehmer hat seinen Erholungsurlaub im Urlaubsjahr zu beantragen, der Arbeitgeber hat diesen Urlaub auch im Urlaubsjahr zu gewähren. Ist zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Bestand des Arbeitsverhältnisses im Streit oder ist das Arbeitsverhältnis insgesamt gestört, gibt es häufig auch Schwierigkeiten mit der Gewährung des Urlaubs. So auch im entschiedenen Fall. Arbeitnehmer und Arbeitgeber stritten lange um den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitnehmer hatte den Urlaub geltend gemacht, der Arbeitgeber hatte den Urlaub aber nicht gewährt. Die Möglichkeit zur Gewährung des Urlaubes hätte aber bestanden. Der Arbeitnehmer hat den entgangenen Urlaub als Schadenersatz eingeklagt. Nachdem das Arbeitsgericht und das Hessische Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hatten, sprach das Bundesarbeitsgericht in der Revision den entgangenen Urlaub zu.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht definiert noch einmal klar, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss; eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr ist dann möglich, wenn dies dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe rechtfertigen. Sodann ist der Urlaub in den ersten drei Monaten des Folgejahres zu nehmen, danach verfällt er. Anders ist dies aber, so das Bundesarbeitsgericht, wenn der Arbeitgeber sich mit der Gewährung des Urlaubes bereits im Verzug befunden hat. Der Arbeitnehmer muss also die Gewährung des Urlaubes rechtzeitig beantragt haben und der Arbeitnehmer muss dem nicht nachgekommen sei. In diesem Fall verfällt der Urlaub nicht; der Arbeitgeber ist stattdessen im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, den Urlaub auch zu einem späteren Zeitpunkt noch zu gewähren.

Bewertung:

Die Entscheidung ist rechtlich konsequent. Die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes betreffen nur die Art und Weise der Gewährung des Urlaubs und den Verfall des Urlaubs im Allgemeinen. Aussagen dazu, wie die Ansprüche behandelt werden, wenn sich der Arbeitgeber weigert, sie zu erfüllen, trifft das Bundesurlaubsgesetz nicht. Für diesen Fall gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln; weigert sich der Arbeitgeber, den Urlaub zu gewähren, so befindet er sich im Verzug. Aus dem Verzug folgt dann der Schadenersatz. Im entschiedenen Fall war also dem Arbeitnehmer zu Recht der nicht gewährte Urlaub als Schadenersatz zuzusprechen, der Arbeitgeber musste den Urlaub also nachgewähren.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber:

Für den Arbeitgeber besteht das Hauptinteresse darin, dem Arbeitnehmer den Urlaub zu gewähren, um einen einsatzbereiten und in der Regel belastbaren Arbeitnehmer zu haben. Auch wenn das Arbeitsverhältnis belastet ist oder streitig ist, ob es überhaupt noch besteht, empfiehlt es sich, die Ansprüche ernst zu nehmen und mit ihnen, auch nach rechtlicher Beratung, sachgerecht umzugehen. Dass eine grundlose Verweigerung und Hoffnung darauf, der Urlaub werde verfallen, nicht zum Ziel führt, hat das Bundesarbeitsgericht mit dieser Entscheidung wieder bestätigt.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Beantragt der Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig und in gehöriger Form, so steht er einer grundlosen Weigerung des Arbeitgebers, in den Urlaub zu gewähren, nicht schutzlos gegenüber. Entscheidend ist aber, den Urlaub rechtzeitig zu beantragen; entscheidend ist auch, dass die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit bestanden hat, den Urlaub im Urlaubsjahr oder spätestens im Übertragungszeitraum auch zu nehmen. Das muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen können.

Bundesarbeitsgericht:
Urteil vom 14. Mai 2013 – 9 AZR 760/11 –
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 28.Februar 2011 – 16 Sa 406/10 –

09.08.2013

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht, und Volker Dineiger, Rechtsanwalt, Berlin

Nach § 7 Abs. 3 BUrlG ist eine Übertragung nicht genommenen Urlaubs in das Folgejahr zulässig, soweit der Urlaub dann bis zum 31. März des Folgejahres genommen wird. Die Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr ist eine gesetzliche Folge und steht unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr den Urlaub entweder aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht nehmen konnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind strenge Maßstäbe anzulegen. Ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund kann nur eine Erkrankung des Arbeitnehmers sein. Allein der Wunsch des Arbeitnehmers, nicht im Urlaubsjahr Urlaub zu nehmen, sondern erst im darauf folgenden Jahr, bewirkt nicht die Übertragung kraft Gesetzes. Bei den dringenden betrieblichen Gründen wird danach gefragt, ob die Interessen des Arbeitgebers an der Gewährung des Urlaubs im Übertragungszeitraum das Interesse des Arbeitnehmers an der fristgerechten Inanspruchnahme des Urlaubs überwiegen. Nachdem dies eine Ausnahmevorschrift ist, gelten strenge Anforderungen. Der Arbeitgeber kann sich also hier nur auf eine besondere Auftragslage oder eine besonders arbeitsintensive Zeit in saisonalen Branchen berufen. Ein dringender betrieblicher Grund liegt auch vor, wenn durch die Urlaube anderer schutzwürdiger Arbeitnehmer ansonsten betriebliche Unterbesetzung vorliegt. Wird der Urlaub also in das Folgejahr übertragen, muss der Arbeitgeber die Wünsche des Arbeitnehmers als verbindlich ansehen. Wird der Urlaub nicht genommen, verfällt der Urlaub mit Ablauf des 31. März des Folgejahres. Hat der Arbeitnehmer allerdings den Arbeitgeber rechtzeitig aufgefordert, den Urlaub zu gewähren, kann eine grundlose Weigerung des Arbeitgebers zu Schadensersatzansprüchen führen.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber:

Die Übertragung des Urlaubsanspruches in das Folgejahr vollzieht sich kraft Gesetzes. Sie ist einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ohne weiteres zugänglich. Um die Addition von Urlaubsansprüchen zu vermeiden, ist zu empfehlen, die Urlaubsgewährung im Urlaubsjahr im Auge zu behalten und zu vollziehen. Besonders zu beachten ist, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts möglich ist, eine betriebliche Übung hinsichtlich der Übertragung einzuführen. Entsteht eine solche betriebliche Übung, kann die häufig praktizierte Übertragung von Urlaub ins Folgejahr zu einem unkalkulierbaren Risiko werden.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Eine Übertragung des Urlaubs ins Folgejahr mag für den Arbeitnehmer aus verschiedenen Gründen wünschenswert sein. In der Durchsetzung kann dies aber mit Risiken verbunden sein. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Urlaubes ins Folgejahr muss der Arbeitnehmer, wenn er die Urlaubsgewährung geltend machen will, darlegen und beweisen. Er muss also vortragen und beweisen, dass im Urlaubsjahr dringende betriebliche Gründe vorgelegen haben, die die Urlaubsgewährung verhindert haben. Kann er das nicht, läuft er Gefahr, seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen zu können. Zudem ist zu beachten, dass eine Vereinbarung zur Übertragung nicht ohne weiteres dem Gesetz entspricht. Für eine solche Vereinbarung als Ausnahme trägt ebenfalls der Arbeitnehmer die Beweislast. Auch hier kann die Durchsetzung des Urlaubsgewährungsanspruchs im Folgejahr deutlich erschwert sein.

11.08.2013

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin

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