Fachmesse Spobis: Wer profitiert von der Neuordnung des Wettmarkts?

Kieler Modell garantiert mehr Geld für die Sportförderung

Von Ansgar Lange +++ Düsseldorf/Kiel, Februar 2012 – Die Expertenrunde zum Thema Glücksspielindustrie auf dem Düsseldorfer Sportbusiness-Kongress Spobis http://www.spobis.de war sich einig: Von einer Regulierung und Öffnung des Wettmarktes in Deutschland profitieren vor allem der Staat (durch deutlich höhere Steuereinnahmen) und der Sport (durch wesentlich mehr Geld für die Sportförderung). Sollte sich das Kieler Regulierungsmodell bundesweit durchsetzen, wäre zudem Schluss mit der Kriminalisierung von Wettanbietern und dem Abdrängen von Millionen von Spielern in den unregulierten Graumarkt.

In seiner Keynote machte Dr. Wulf Hambach, Gründungspartner von Hambach & Hambach in München http://www.timelaw.de, deutlich, dass Online-Glücksspiel bereits seit ungefähr einem Jahrzehnt in Deutschland umstritten ist. Der renommierte Experte für Glücksspiel- und Wettrecht skizzierte den Hergang der bisherigen juristischen und politischen Diskussion über das Thema. Hambach hält das so genannte E-15-Modell aller Bundesländer mit Ausnahme von Schleswig-Holstein für hinfällig, da es auf falschen Annahmen beruht und letztlich auch eine Fortsetzung der bisherigen „bizarren Rechtslage“ in Deutschland bedeutet.

Das E-15-Modell lehnt sich an das französische Vorbild an, welches sich bereits als ineffektiv erwiesen hat. Der Chef der französischen Glücksspielaufsichtsbehörde (Arjel) warnte unlängst davor, dass aufgrund der gesetzlichen Grundlage in seinem Land immer mehr Spieler in den unregulierten Graumarkt abwanderten. Dies führe zu massiven Ausfällen bei den Steuereinnahmen. Eine Rohertragssteuer, wie sie zum Beispiel im dänischen und Kieler Modell vorgesehen ist, sei wesentlich effizienter als eine Umsatzsteuer, so der Chef von Arjel http://www.arjel.fr. Allein im vergangen Jahr seien nach Auskunft der Arjel über 70.000 User (!) vom regulierten Markt abgewandert – wahrscheinlich in den unregulierten Graumarkt. Hambach verglich die Flucht der französischen Spieler aus dem regulierten Markt mit einem „Eis im Hochsommer“ – anfangs noch prächtig anzusehen schmelze es in kürzester Zeit unwiederbringlich dahin. Gleiches passiere derzeit mit den französischen Spielern und damit auch mit den Steuereinnahmen.

Nach der juristischen Interpretation von Dr. Hambach ist insbesondere die Festlegung der Anzahl der Lizenzen im E-15-Modell willkürlich. Warum dürfen nur 20 Lizenzen an Sportwettenanbieter vergeben werden? Auf höchster juristischer Ebene in der EU dürfte dieser Ansatz keinen Bestand haben – oder nur so lange, bis der 21 Bewerber um eine Lizenz klagt. Doch bisher sind diese Warnungen beispielsweise in großen Ländern wie Nordrhein-Westfalen oder Bayern, die sich an Frankreichs Glücksspielgesetzgebung anlehnen, offenbar noch nicht angekommen. Ignoriert wurde auch, dass sowohl das dänische als auch das Gesetz aus Schleswig-Holstein von der EU-Kommission bereits als juristisch hieb- und stichfest klassifiziert wurden.

Hambach geht davon aus, dass die EU-Kommission das E-15-Modell nicht gut heißen wird, weil hier Online-Sportwetten einerseits und Online-Poker sowie Casino-Spiele andererseits ungleich behandelt werden: „Das wird die Kommission nicht mitmachen, das wäre europarechtliche Diskriminierung.“

Ein Wissenschaftliches Thesenpapier zum Online-Poker der Forschungsstelle für Glücksspiel und Wetten in Sankt August http://www.forschung-gluecksspiel.de im Auftrag für TÜV TRUST IT stellt zudem fest, dass das Suchtpotenzial von Sportwetten und Online-Poker gleich eingeschätzt wird. Online-Poker wird demnach kein höheres Suchtpotenzial zugeschrieben. Eine Regulierung des Online-Marktes sei auch deshalb geboten, weil Online-Poker gegenwärtig mit 33,4 Prozent einen höheren Marktanteil im deutschen Glücksspielmarkt als Online-Sportwetten (29,4 Prozent) hat.

Diese Faktenlage bestärkte Hambach in der Hoffnung, dass sich die 15 anderen Länder doch noch dem Modell aus Kiel anschließen, welches maßgeblich von Wolfgang Kubicki (FDP) und Hans-Jörn Arp (CDU) als „geistigen Vätern“ auf den Weg gebracht wurde. Im hohen Norden rechnet man mit 40 Millionen Euro Mehreinnahmen durch die Regulierung. Allein ein Drittel dieser Summe soll an die Sportförderung fließen. „Am Ende wird sich das bessere Modell durchsetzen“, resümierte Hambach optimistisch. Er sei zuversichtlich, dass der „Kampf“ im Jahr 2012 entschieden wird. Dann könnte man auf der Spobis im kommenden Jahr vielleicht schon über die ersten Erfolge in den Bundesländern sprechen und müsste die Zeit nicht mehr dafür aufbringen, dass die Politik ihre Hausaufgaben immer noch nicht gemacht hat – trotz des warnenden Zeigefingers der EU-Kommission und des guten Beispiels aus Schleswig-Holstein, das zeigt, wie es gehen kann.

Stefan Meurer vom Sportwettenanbieter Tipico http://www.tipico.com, Professor Dr. Klaus Goldhammer vom Beratungsunternehmen Goldmedia http://goldmedia.com und Philipp Hasenbein vom Sportrechtevermarkter Sportfive http://www.sportfive.de bestätigten Hambachs Darstellung.

Goldhammer zufolge ist das Kieler Modell das einzige, das auf konkreten Zahlen basiert. Es sei absurd, dass sich der Staat sowie die 15 Bundesländern mit Händen und Füßen gegen mehr Steuereinnahmen wehrten. Bis dato 86 Bewerbungen um Lizenzen in Schleswig-Holstein dokumentierten eindrucksvoll, dass das dort Ende vergangenen Jahres mit einer Stimme Mehrheit verabschiedete Gesetz von CDU und FDP offenbar Wirkung zeige und funktioniere, weil die in dem Gesetz getroffene Regulierung marktkonform sei. Die Politik ignoriere jedoch weitestgehend noch das Medium Internet im Glücksspielbereich. „Es ist besser, 90 Prozent des Wettmarktes zu kontrollieren und daran zu verdienen, als 100 Prozent zu verbieten, ohne zu wissen, was dann im Graumarkt passiert“, so Goldhammer. Es sei die Aufgabe des Marktes, die Zahl der Anbieter von Wetten zu begrenzen, nicht die Aufgabe der Politik.

Meurer drückte sich folgendermaßen aus: „Wir bieten an, Steuern in Deutschland zu zahlen.“ Es scheint fast absurd, dass sich der hiesige Steuerstaat bisher standhaft weigert, diesem Flehen Gehör zu verschaffen. Der Geschäftsführer von Tipico wehrte sich vehement gegen den Vorwurf der Illegalität. Umgekehrt werde ein Schuh daraus: Trotz höchstrichterlicher Klatschen von der EU weigere sich der deutsche Staat weiterhin beharrlich, Rechtsklarheit zu schaffen. Dass die Wettanbieter, die nach dem Kieler Weckruf nun in den Startlöchern stehen und in Deutschland gern Geschäfte machen würden, dies nicht nur aus Altruismus unternehmen, betonte Goldhammer. Er prognostizierte dem Sportsponsoring „güldene Zeiten“, falls sich das Kieler Regulierungsmodell durchsetzen sollte.

Hasenbein appellierte an die – nicht anwesende – Politik, sie müsse endlich Rechtsklarheit schaffen. Die derzeitige Rechtsunsicherheit gehe zu Lasten des Sponsorings. Viele potentielle Sponsoren stünden bereit, um Sportvereine zu unterstützen. Doch diese wissen oft nicht, ob sie sich bei Trikot- oder Bandenwerbung oder sonstigen Sponsoring-Maßnahmen auf juristisch sicherem Fundament befinden. Es sei auch mit gesundem Menschenverstand nicht nachzuvollziehen, warum der Freistaat Bayern dem Topclub Bayern München gestattet, mit dem Schriftzug eines Wettanbieters auf dem Trikot zu werben, während man dies zum Bespiel im Wintersport anders und restriktiver sehe.

Es bleibt abzuwarten, ob die 15 Bundesländer mit Ausnahme von Schleswig-Holstein auch in diesem Jahr weiter auf satte Steuereinnahmen in Folge einer Regulierung des Wettmarktes verzichten wollen. Leidtragende wären Unternehmen wie Tipico, die aus rein rechtlichen Gründen ihren Firmensitz auf Malta haben, aber – wie Meurer betonte – diesen sehr gern nach Deutschland verlegen würden. Doch bisher zeigen sich 15 Länder nicht willens, mehr Steuern einzunehmen und Unternehmensansiedlungen zu begrüßen. Vielleicht wirkt aber auch das Beispiel aus Schleswig-Holstein wie eine Initialzündung für den gesamten Markt, der nach Großbritannien der zweitgrößte in Europa ist – mit einem enormen Potenzial auch für den Sport. Denn nur mit einer Regulierung – so ließe sich ein Fazit der Runde ziehen – kann das Sport-Sponsoring in Deutschland wirklich mit „güldenen Zeiten“ rechnen. Überzeugte Marktwirtschaftler werden jedenfalls argumentieren, dass sich ökonomische Gesetzmäßigkeiten langfristig nicht mit politischen oder juristischen Winkelzügen aufhalten lassen. Wer wie beispielsweise die SPD das Glücksspiel im Netz weiter verbieten will, der gleicht Sancho Panza, der einst gegen die Windmühlen kämpfte, weil er sie für Riesen hielt.
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