Das neue MiLoG – Praxisprobleme: Haftung des Auftraggebers nach § 13 MiLoG (Teil 3)

Ein Interview von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck mit Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.

Seit dem 01.01.2015 gilt das Gesetz über den Mindestlohn. Bereits in den ersten drei Monaten seit dem Inkrafttreten hat das Gesetz für erhebliche politische Diskussionen gesorgt. Die Gerichte werden zunehmend mit Streitigkeiten um die Anwendung des Gesetzes befasst. Mit dieser Reihe werden die ersten in der Praxis aufgetretenen Anwendungsprobleme behandelt.

Fachanwalt Bredereck: Das MiLoG haben wir in einer ersten Reihe schon theoretisch behandelt. Was sind die zentralen Aussagen des MiLoG?

Fachanwalt Dineiger: Mit dem Gesetz über den Mindestlohn wurde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein gesetzlicher Mindestlohn für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eingeführt. Dieser Mindestlohn gilt, egal ob ihn die Parteien des Arbeitsvertrages vereinbaren oder nicht. Der Mindestlohn beträgt 8,50 € brutto je Zeitstunde. Vereinbarungen, die zum Ziel haben, den Mindestlohn zu umgehen, sind kraft Gesetzes unwirksam. Zudem besteht der Anspruch auf Zahlung des Mindestlohnes spätestens mit Ende des nächsten Monates nach dem Monat, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

Fachanwalt Bredereck: Ein großer Diskussionspunkt ist die Vorschrift des § 13 MiLoG. Was sagt diese Vorschriften genau aus und warum wird hier so erbittert diskutiert?

Fachanwalt Dineiger: § 13 MiLoG betrifft die Haftung von Auftraggebern und bestimmt, dass § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) entsprechend gilt. § 14 AEntG sagt aus, dass ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, für die Verpflichtungen dieses Unternehmens, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder einem Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgeltes wie ein Bürge haftet, der auf die Einrede der Klage verzichtet hat. § 14 AEntG ordnet also eine selbstschuldnerische Durchgriffshaftung des Auftraggebers an.

Fachanwalt Bredereck: Was bedeutet das ganz genau? Kann denn ein Arbeitnehmer hier Rechte ableiten?

Fachanwalt Dineiger: Die Vorschrift hat hohe praktische Bedeutung. Bereits vor dem Inkrafttreten des MiLoG gab es verschiedentlich Versuche, dass ein Auftragnehmer beispielsweise im Bereich großer Baugewerke Subunternehmer beauftragt hat, um sich der Geltung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften entziehen zu können und das entsprechende Vergütungsrisiko einerseits wie auch ein etwaiges kündigungsschutzrechtliches Risiko andererseits auf diesen Subunternehmer verlagern zu können. Häufig war in der Vergangenheit schon zu beobachten, dass diese Subunternehmer mit zu geringer Kapitaldecke ausgestattet waren, so dass Insolvenzen mit den entsprechenden Zahlungsausfällen für die Arbeitnehmer häufig vorkamen. Für solche Umgehungsfälle ist die Schutzvorschrift des § 14 AEntG eingeführt worden.

Fachanwalt Bredereck: Welcher Schutz für Arbeitnehmer entsteht hieraus in den Mindestlohnfällen genau?

Fachanwalt Dineiger: Aufgrund der Anordnung der direkten Wirkung des § 14 AEntG in § 13 MiLoG bekommt der betroffene Arbeitnehmer ein direktes Durchgriffsrecht auf den Auftraggeber selbst. Wenn also der direkte Vertragsarbeitgeber des Betroffenen Arbeitnehmers Insolvenz anmeldet oder in sonstiger Weise für den Arbeitnehmer nicht mehr greifbar ist, kann der Arbeitnehmer den Auftraggeber des Werkes direkt auf Zahlung des Mindestlohn aus §§ 1 ff. MiLoG verklagen. Der Auftraggeber haftet dann auch auf die Zahlung des Mindestlohnes.

Fachanwalt Bredereck: Kann der Auftraggeber dann nicht verlangen, dass der Arbeitnehmer zunächst seinen Vertragsarbeitgeber in Anspruch nehmen und gegebenenfalls verklagen muss?

Fachanwalt Dineiger: Exakt diese Einrede ist dem Auftraggeber über diese Vorschriften verwehrt. Nach dem exakten Wortlaut haftet der Auftraggeber ja wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat. Es ist also eine selbstschuldnerische Bürgschaftsanordnung. Für eine solche selbstschuldnerische Bürgschaftsanordnung ist eben gerade wesentlich, dass der in Anspruch genommene „Bürge“ dem Anspruchsteller nicht entgegenhalten kann, dass er zunächst seinen eigenen Vertragspartner verklagen muss und erst dann auf ihn zukommen kann. Es ist also eine echte Durchgriffshaftung.

Fachanwalt Bredereck: Warum eine so strenge Haftung?

Fachanwalt Dineiger: Dem Gesetzgeber sowohl des AEntG wie auch des MiLoG kam es ersichtlich darauf an, dass Umgehungen nicht möglich sein sollen. Aus diesem Grunde sollen die Arbeitnehmer direkt den in der Regel wirtschaftlich Potentesten angehen können. Der in Anspruch genommene Auftraggeber kann dann seinerseits versuchen, gegen seinen Nachunternehmer oder Subunternehmer vorzugehen, um sich von diesem wiederum schadlos zu halten. Die Regelung ist klassische Ausprägung des Arbeitnehmerschutzrechtes.

Fachanwalt Bredereck: Also eine sinnvolle und effektive Regelung.

15.03.2015

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.

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