Bundesgerichtshof weitet Strafbarkeit wegen Bankrotts (§ 283 StGB) aus

Man muss nicht pleite sein, um wegen Bankrotts bestraft zu werden – Anmerkungen zum Urteil von Privatdozent Prof. Dr. Kraatz

Bundesgerichtshof weitet Strafbarkeit wegen Bankrotts (§ 283 StGB) aus

Privatdozent Prof. Dr. Erik Olaf Kraatz, Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte

Einer der größten Politskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte wurde gerichtlich endlich beendet: der Komplex Schreiber-Pfahls-Holzer:

Worum ging es?

Der Waffenlobbyist Karlheinz Schreiber fädelte einen Waffendeal für Thyssen-Krupp in Saudi-Arabien ein, wobei über den damaligen Staatssekretär (und politischen Ziehsohn Franz Josef Strauß) wohl Schmiergelder flossen. Nachdem gegen ihn wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung ermittelt wurde, floh Pfahls nach Taiwan und wurde erst fünf Jahre später von Zielfahndern des Bundeskriminalamts aufgrund eines unüberlegten Faxes festgenommen und wegen Vorteilsannahme zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach seiner Haftentlassung heiratete er eine moldawische Prinzessin, die er auf der Flucht kennengelernt hatte und pflegte einen aufwendigen Lebensstil, mit teuren Autos, einer Villa in Frankreich und wohl einem gut gefüllten Schließfach in Liechtenstein oder in der Schweiz.

Pleite und doch reich? – Kein Märchen aus 1001 Nacht?
Sein Lebensstil sprach zwar für sich, aber dennoch erklärte er sich den deutschen Behörden gegenüber als vermögenslos, als diese Steuerschulden und Schadensersatzansprüche des Verteidigungsministeriums (3,7 Millionen Euro) eintreiben wollten. Als die Vermögenspositionen herauskamen, kam es nun zu einem (letzten) Strafverfahren wegen Bankrotts (§ 283 des Strafgesetzbuchs), in dem der Bundesgerichtshof (Beschl. v. 22.1.2013 – 1 StR 234/12, NJW 2013, 949) eine grundlegende Frage beantwortet, die für künftige Bankrott-Fälle von wegweisender Bedeutung ist:

Bin ich zahlungsunfähig, wenn ich noch genügend Geldmittel in der Hinterhand habe, von denen die Gläubiger nichts wissen?

Einen strafbaren Bankrott begeht, wer bei einer Überschuldung oder einer drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit Bestandteile seines Vermögens, die zur Insolvenzmasse gehören würden, beiseiteschafft, verheimlicht oder beschädigt. Zahlungsunfähig ist ein Schuldner nach § 17 Absatz 2 Satz 2 der Insolvenzordnung, „wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“. Diese Frage drängt sich unweigerlich auf: „War Pfahls also zahlungsunfähig, obwohl er über genügend (versteckte) Vermögenswerte verfügte?“

Unterschied Insolvenzrecht und Strafrecht

Zum Verständnis muss ein Ausflug zur Klärung des Unterschiedes zum Insolvenzrecht und Strafrecht unternommen werden: Während im Insolvenzrecht streng zwischen objektiver Zahlungsunfähigkeit und subjektiver Zahlungsunwilligkeit unterschieden wird (BGH, Urteil vom 17.5.2001 – IX ZR 188/98, NZI 2001, 417), werden im Strafrecht beide Konstellationen (höchst bedenklich: Kritik bei Kraatz, JR 2013, 566 ff.) gleichgestellt, wie es zuletzt das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. (Beschluss vom 18.6.1997 – 1 Ws 56/97, NStZ 1997, 551) bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des Zusammenbruchs des Immobilien-Tycoons Dr. Jürgen Schneider klarstellte:

Dort hatte der Beschuldigte die Eheleute Schneider dabei unterstützt, 245 Millionen D-Mark auf Offshore-Gesellschaften zu verstecken und so die eigene Zahlungsunfähigkeit herbeizuführen. Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigte einen Tatverdacht wegen Beihilfe zum bankrott, da die auf die Konten der Offshore-gesellschaften transferierten Geldmittel bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht hinzuzurechnen seien, da hierdurch der Zugriff durch die Gläubiger erheblich erschwert würde. Hierauf nimmt der Bundesgerichtshof in der vorliegenden Entscheidung Bezug und dehnt damit den Anwendungsbereich des Bankrott-Tatbestandes erheblich aus.

Fazit:

Die praktische Bedeutung des Bankrott-Tatbestandes mit seiner Gläubigerschutzfunktion ist nicht zu unterschätzen. Auch wenn der Gläubigerschutz an sich nur soweit reichen kann, soweit die Gläubigerinteressen im Insolvenzverfahren überhaupt Schutz erfahren, zeigt die vorliegende Entscheidung, dass die strafrechtliche Rechtsprechung hierüber teilweise hinausgeht: Selbst wenn ein Insolvenzantrag mangels Zahlungsunfähigkeit (wegen ausreichend versteckter Vermögenswerte) insolvenzrechtlich nicht gestellt zu werden braucht, macht sich der Schuldner dennoch wegen Bankrotts strafbar, wenn er die versteckten Vermögenswerte seinen Gläubigern nicht offenbart. Diese Entscheidung ist ein Schritt in die richtige Richtung für mehr Gerechtigkeit und der Aufbau zum vertrauensvollen Umgang durch die Stärkung von Werten wie Ethik und Moral.

Daraus erfolgt, dass bestehende Schadenersatzansprüche zivilrechtlicher Art auch gegenüber Mittätern, die als Beihelfer bei dem Verschwinden Lassen von Vermögen helfen (§ 823 Abs. 2 StGB in Verbindung mit der Bankrottnorm des Strafgesetzbuches) geltend gemacht werden können.

V.i.S.d.P.:

Prof. Dr. Erik Olaf Kraatz
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