Baurecht: Was sind „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“ und welche Auswirkungen haben diese auf die Mangelhaftung?

von Rechtsanwalt Prof. Christian Zanner, Wollmann & Partner GbR, Berlin

Das Baurecht hat für Verbraucher eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, weil in der Regel eine Familie nur einmal im Leben ein Haus bauen oder z.B. eine Eigentumswohnung renovieren lässt. Daher ist es notwendig, die Grundregeln des Baurechts zu kennen oder sich entsprechend vertrauensvoll beraten zu lassen.

Eine der Hauptbegriffe soll hier erklärt werden. Prof. Zanner von Wollmann & Partner: „Grundsätzlich hat der Auftragnehmer die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 S. 2 VOB/B). Die Leistung ist zur Zeit der Abnahme frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarten Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht (§ 13 Abs. 1 S. 2 VOB/B).“ Das bedeutet:

„Unter den anerkannten Regeln der Technik im Sinne des § 13 Abs. 1 VOB/B sind alle bautechnischen Normen zu verstehen, die in der Wissenschaft als theoretisch anerkannt sind und sich auch in der Baupraxis bewährt haben.“ (Riedl in: Heiermann/Riedl/Rusam B § 4 Rn. 37)

Die allgemein erkannten Regeln der Technik entwickeln sich ständig, sozusagen „lautlos“ fort, ohne dass erforderlich ist, dass sie in den einschlägigen DIN-Normen veröffentlicht werden. Triebfeder der Regeln ist die Weiterentwicklung der Technik.

Bei der Durchführung von Baumaßnahmen sind mit der vereinbarten Vergütung sämtliche Leistungen gemäß Vertrag zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses abgegolten (§§ 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 VOB/B). Für den Verbraucher ist es jedoch von Bedeutung, was passiert, wenn sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik nach Vertragsschluss oder nach Abnahme ändern. Hierzu hat das OLG Stuttgart in einer aktuellen Entscheidung vom 14.09.2011 festgestellt, dass auch, wenn das Werk grundsätzlich den zur Zeit der Abnahme anerkannten Regeln der Technik als vertraglicher Mindeststandard entsprechen muss, bei einer Mangelbeseitigung die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden anerkannten Regeln der Technik und gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden müssen.

Das bedeutet, dass, sofern der Auftragnehmer nach Abnahme die Mängelbeseitigung vornimmt, er auch erhöhte Anforderungen der allgemein anerkannten Regeln der Technik beachten muss.

Des Weiteren hat das OLG Stuttgart zur Vergütung festgestellt: „Bei den Mehrkosten auf Grund nach Abnahme gestiegener gesetzlicher oder technischer Anforderungen an das Werk handelt es sich nicht um Sowieso-Kosten. Ein dem Besteller ggf. verbleibender Mehrwert gegenüber der ursprünglich vertraglich vereinbarten Werkleistung kann allerdings nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung eine Zahlungspflicht des Bestellers begründen.“ (OLG Stuttgart, Beschl. v. 14.09.2011 – 10 W 9/11)

Prof. Zanner: „Das Ergebnis dieser Entscheidung stellt für den Verbraucher einen erheblichen Vorteil dar. Denn im Regelfall wird es für den Auftragnehmer schwer möglich sein, einen Mehrwert infolge veränderter allgemein anerkannter Regeln der Technik nachzuweisen. Der Verbraucher hat aber den Vorteil, dass er Anspruch auf den neuesten Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Mangelbeseitigung und nicht zum Zeitpunkt der Abnahme hat.“

Aus anwaltlicher Sicht ist es angeraten, sich baufachlich z.B. durch einen anerkannten Sachverständigen bei der Abnahme beraten zu lassen. Teure Rechtsstreitigkeiten können so im Vorfeld vermieden werden.

Prof. Christian Zanner
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Wollmann & Partner GbR, Berlin

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