Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung wegen der Stilllegung des Betriebes (Betriebsstilllegung)

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht, Alexander Bredereck Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 7 Sa 1522/13 -, juris).

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht, Alexander Bredereck Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 7 Sa 1522/13 -, juris).

Einer der klassischen und vor Gericht immer sehr überzeugenden Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung ist die Stilllegung des Betriebes. „Betriebsbedingter“ kann ein Kündigungsgrund nicht sein. Natürlich will der Arbeitgeber nicht warten, bis der Betrieb tatsächlich stillgelegt wurde. Wenn er nämlich dann erst die Kündigung ausspricht, muss er noch bis zum Ablauf der Kündigungsfristen Arbeitsentgelt zahlen, obwohl er die Arbeitnehmer wegen der Betriebsstilllegung nicht mehr beschäftigen kann. Vor diesem Hintergrund kündigen die Arbeitgeber regelmäßig unter Berücksichtigung der Kündigungsfristen bereits vor der tatsächlichen Stilllegung zum Beendigungszeitpunkt. Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung, stellt sich regelmäßig die Frage, was der Arbeitgeber zur beabsichtigten Stilllegung vortragen muss. Dies wird in der zitierten Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg umfassend ausgeführt.
Zunächst fasst das Landesarbeitsgericht noch einmal die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zusammen.

Ernsthafter und endgültiger Entschluss, den Betrieb dauerhaft stillzulegen

Danach ist es erforderlich, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen (BAG vom 16.02.2012 – 8 AZR 693/10 – AP § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung Nr. 188). Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (BAG vom 08.11.2007 – 2 AZR 554/05 – AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28).

Es gibt allerdings Umstände, die eindeutig gegen den endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung sprechen. Ein Arbeitgeber der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch über eine Veräußerung des Betriebes verhandelt, bringt damit gerade zum Ausdruck, dass ein endgültiger Entschluss zur Stilllegung noch nicht gefasst wurde.
Das Landesarbeitsgericht beschäftigt sich im Weiteren mit der aus diesen Grundsätzen folgenden Darlegungs- und Beweislast der Parteien.

Darlegung der Entschlussfassung und der getroffenen Maßnahmen

Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substantiiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat.

Maßnahmen müssen im Kündigungszeitpunkt greifbare Formen angenommen haben

Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substantiiert vortragen, dass die Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten (BAG vom 16.02.2012 – 8 AZR 693/10 aaO.).

Umstände, die gegen eine ernsthafte und endgültige Betriebsstilllegungsabsicht zum Zeitpunkt der Kündigung sprechen, muss der Arbeitnehmer vortragen.

Wenn der Arbeitgeber insoweit ausreichend vorgetragen hat, kommt es auf die darauf folgende Einlassung des Arbeitnehmers an, inwieweit weiter Vortrag notwendig ist. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass im Zeitpunkt der Kündigung noch Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs stattgefunden hatten.

Der Umfang der Darlegungslast hängt auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlässt. Trägt der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen war, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und kommt es zu einer alsbaldigen Wiederöffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant war (vgl. BAG vom 16.02.2012 – 8 AZR 693/10 aaO.).

Anwendung dieser Grundsätze auf den konkret entschiedenen Fall:

Hier sah das Landesarbeitsgericht wichtige Indizien für eine entsprechende Betriebsstilllegungsabsicht, zum Beispiel folgende:
– Mitteilung des Geschäftsführers vom 25.03.2013 an die Gesellschafterin über die Stilllegungsentscheidung
– Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans mit dem Betriebsrat
– Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit
– Einstellung der Tätigkeit

Im vorliegenden Fall reichten diese Umstände dem Landesarbeitsgericht nicht für die Annahme der Absicht, den Betrieb auf Dauer oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte Zeit stillzulegen. Der Kläger hat Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass im Zeitpunkt der Kündigung die Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen war, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben hat bzw. Planungen bestanden, den Betrieb in absehbarer Zeit wieder zu eröffnen. Auch war im Hinblick auf den Vortrag des Klägers ein Betriebs(teil-)übergang zumindest nicht ausgeschlossen.

Der Kläger hatte folgende Indizien gegen eine endgültige und ernste Stilllegungsabsicht vorgetragen:
– Schreiben des Arbeitgebers an den Betriebsrat im Rahmen der Interessenausgleichsverhandlungen, in dem von Verhandlungen mit potentiellen Investoren die Rede war
– Betriebsbesichtigungen für potentielle Interessenten des Betriebs im Ganzen organisiert
– Dokumentation entsprechender Verkaufsbemühungen im Interessenausgleich

Diesem Vortrag ist die Beklagte, die für das Vorliegen des Kündigungsgrundes darlegungs- und beweispflichtig ist, nicht weiter entgegengetreten (konnte sie wohl auch nicht), weil die Behauptungen gut dokumentiert waren.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hätte der Arbeitgeber vor diesem Hintergrund weitere Maßnahme im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebsstilllegung (zum Beispiel Veräußerung der Fertigungsanlagen und Beendigung der Mietverträge) darlegen müssen.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Der Beispielsfall zeigt, wie wichtig es ist, auch im Falle von scheinbar aussichtslosen Situationen umfassend vorzutragen. Im vorliegenden Fall griff letztendlich auch noch ein weiterer Umstand zu Gunsten des Arbeitnehmers (ausnahmsweise konzernbezogene Weiterbeschäftigungspflicht), allerdings war die Kündigung bereits aus vorstehenden Gründen unwirksam. Da es entscheidend auf den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ankommt, muss der Arbeitnehmer umfassend ermitteln, welche Umstände damals noch gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprachen. Diese müssen dann unter Beweisantritt vorgetragen werden. Ist dies möglich, hilft es dem Arbeitgeber (jedenfalls für die streitgegenständliche Kündigung) letztlich nichts, wenn am Ende dann stillgelegt wurde.

Fachanwaltstipp Arbeitgeber:

Wer unter Berufung auf eine geplante Betriebsstilllegung kündigen will, kann dies nur dann wirksam tun, wenn zum Kündigungszeitpunkt wirklich keine Alternativverhandlungen mit potentiellen Übernehmern mehr geführt werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die Kündigungen später als unwirksam angesehen werden. Ergeben sich im weiteren Ablauf nach Ausspruch einer Kündigung Zweifel an der ausreichenden Darlegungsmöglichkeit unter den oben aufgeführten Gesichtspunkten, muss über eine erneute Kündigung (gegebenenfalls unter Aufrechterhaltung der zunächst ausgesprochenen Kündigung) nachgedacht werden. Auch § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, die durch den bisherigen oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils ausgesprochen wird, unwirksam ist, sollte im Auge behalten werden.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (LArbG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Dezember 2013 – 7 Sa 1522/13 -, juris
14.3.2014

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